Civita.

Sie ist beliebt bei Wanderern und Ausflüglern – doch nun ist die Raganello-Schlucht in Süditalien für mehrere Besucher zur tödlichen Falle geworden. Wegen starker Regenfälle wurde ein sonst ruhiger Gebirgsbach zu einem wilden Fluss und riss mindestens zehn Menschen in den Tod. 26 konnten lebend gerettet werden – die letzten erst am Dienstagmittag. Da aber nicht ganz klar ist, wie viele Menschen sich zum Zeitpunkt des Unglücks in der Schlucht befanden, suchten die Retter auch am Dienstag noch weiter.

Die 13 Kilometer lange Raganello-Schlucht liegt im kalabrischen Nationalpark Pollino. Die Felswände ziehen sich bis zu 400 Meter hoch. Da das Unwetter aber nicht direkt über der Schlucht niederging, bemerkten die Ausflügler vielleicht nicht, wie viel Regen tatsächlich fiel. „Das Wasser hat alles mitgerissen, was es finden konnte, leider auch Menschen“, sagte Domenico Gioia, der für die italienische Vereinigung AIGAE Exkursionen führt.

Beim Eintreffen der Rettungskräfte am Montag spielten sich dramatische Szenen ab. „Wasser, Schlamm, Geröll. Und mittendrin die Körper der Ausflügler“, erzählte Guido Umile von der Bergrettung dem „Corriere della Sera“. „Die enormen Wassermassen wurden in die Schlucht geleitet und kamen mit vernichtender Kraft.“

„Wir hörten ein Donnern, gleich danach stürzte eine Wassermauer hinunter, die uns wegriss“, zitierte die Zeitung eine Italienerin, die gerettet wurde. „Ich habe es geschafft, (...) mich an einem Baum festzuhalten, aber ich sah Körper, die mit wahnsinniger Gewalt fortgespült wurden.“ Medienberichten zufolge kommen die Opfer überwiegend aus Süditalien.

„Die Sturzflut von gestern in den Schluchten von Raganello ist leibhaftig ein Tsunami gewesen“, sagte der Vizepräsident der kalabrischen Bergrettung, Giacomo Zanfei, der Nachrichtenagentur Ansa. „Das Erste, was man merkt, ist ein Windstoß und sofort danach eine Sturzwelle, die dich fortreißt“, erklärte Pierpaolo Pasqua, ebenfalls von der Bergrettung, der Zeitung „La Stampa“.

Einige Tote und Verletzte waren in zwei geführten Gruppen unterwegs. Ums Leben gekommen sein soll auch ein Guide, der seit Jahren Exkursionen durch die Schlucht anleitet. Wäre die Tragödie vermeidbar gewesen? Die Staatsanwaltschaft hat der Nachrichtenagentur Ansa zufolge Ermittlungen gegen unbekannt eingeleitet, unter anderem wegen fahrlässiger Tötung.