Palma de Mallorca .

Der Notruf ging am Montag gegen 19 Uhr ein. Ein Mann war an der Playa de Palma auf Mallorca vom zwölften Stock auf das Betondach des Hotels Pabisa Bali aufgeschlagen. Die Retter kamen zu spät – sie konnten nur noch den Tod des 23-jährigen Deutschen feststellen. Kein Einzelfall: Allein seit Beginn der Saison starben auf der spanischen Urlaubsinsel bereits acht ausländische Besucher bei Stürzen aus Fenstern oder von Balkonen. Viele weitere Opfer kamen mit Verletzungen davon. Dahinter steckt fast immer das sogenannte Balconing – Mutproben junger Urlauber in oft schwindelerregender Höhe unter Alkohol- oder Drogeneinfluss.

Das soll auch auf den jungen Deutschen zugetroffen haben, so die Polizei, die am Dienstag ein Überwachungsvideo des Hotels Pabisa Bali ausgewertet hat. Darin sei zu erkennen, wie der Tourist möglicherweise aufgrund von Alkohol- oder Drogenkonsum „sich kaum auf den Beinen halten kann“ und „über das Geländer seines Zimmers“ steige. Über dem Abgrund halte er sich zunächst noch mit den Armen am Geländer fest, bevor er plötzlich loslässt und in die Tiefe stürzt.

Ebenfalls am Montag musste ein Deutscher in einer Klinik behandelt werden, weil er beim Klettern an einer Hotelfassade der Playa de Palma gestürzt sei. Und in Magaluf wurde eine junge Touristin aus Frankreich schwer verletzt, als sie aus dem dritten Stockwerk eines Hotels in die Tiefe stürzte. Die 20-Jährige liegt auf der Intensivstation, teilte die Polizei mit.

Magaluf, Hochburg für britische Touristen, gilt als Zentrum des Balconing. Hier starb auch die 19-jährige Britin Natalie, die vor ihrem Sturz in den Tod auf Facebook postete: „Ich erlebe hier die besten Tage meines Lebens.“ Ähnliches sagten auch Thomas (20) oder Tom (18) vor ihrem Tod.

„Das typische Opfer ist ein junger Mann, der mit ein paar Freunden nach Mallorca gekommen ist“, sagt der spanische Unfallchirurg Juan José Segura. „Sie haben Spaß und sie machen riskante Sachen.“ Zum Beispiel klettern sie von einem Hotelbalkon zum anderen. Oder sie versuchen, vom Zimmerbalkon in den oberen Stockwerken in den Pool zu springen. „In 95 Prozent der Fälle waren große Mengen Alkohol im Spiel“, so der Arzt. „30 Prozent hatten zusätzlich Drogen genommen.“ ­Segura hatte in den letzten Monaten etliche Schwerverletzte auf seinem Operationstisch im Universitäts-Krankenhaus Son Espases in Palma. Durchweg Touristen, die sich bei Stürzen und Sprüngen vom Balkon kritische Wirbelsäulen- oder Kopfverletzungen zuzogen.

Die spanischen Behörden versuchen inzwischen, die Balkonkletterer mit hohen Strafen abzuschrecken. Wer in Magaluf bei riskanten Aktionen erwischt wird, kann mit 600 bis 1500 Euro Geldbuße belegt werden. Zudem droht der Hotelverweis. Auch viele Hoteliers haben mit Vorsichtsmaßnahmen reagiert und inzwischen die Balkongeländer erhöht, um Stürze zu vermeiden. Andere gingen dazu über, feierfreudige Cliquen junger Männer vorzugsweise im Erdgeschoss einzuquartieren.

Die Gemeinde Calvià, zu der Magaluf gehört, hatte nach mehreren Todesfällen schon Anfang Juli Alarm geschlagen und eine Krisensitzung mit Hoteliers und Politikern sowie mit Vertretern des britischen Konsulats abgehalten. Ein Ergebnis des Treffens: Die Regierung der Balearen will auf Antrag von Unternehmern, Nachbarschaftsverbänden und Gemeinden verstärkt gegen „Sauftourismus“ vorgehen und beispielsweise den freien Ausschank ­alkoholischer Getränke in den sogenannten All-inclusive-Hotels verbieten. Über weitere Maßnahmen wird noch nachgedacht.