Berlin.

Vormittags sind die Bänke immer noch hauptsächlich von Frauen besetzt. Mütter, die mit Kinderwagen und Strickzeug am Kollwitzplatz in Berlin in Sichtweite des Klettergerüstes Platz genommen haben. Doch am Mittag und Nachmittag lichten sich langsam die Reihen. Da stehen dann die Väter am Tor zum Kindergarten, winken ihren Kleinen zu, rufen „Beeil dich“, weil sie noch die großen Kinder vom Hort an der Schule abholen müssen. Sie fahren Räder mit großen bunten Kindersitzen auf dem Gepäckträger, haben Boxen mit Apfelschnitzen dabei oder halbe Melonen und ein Taschenmesser zum Aufschneiden später im Park. Einer von ihnen ist Thomas, gebürtiger Münchner, Historiker, Angestellter und Vater von fünf Kindern. Für die jüngsten drei nahm er insgesamt zwei Jahre Elternzeit. Seine Frau Hilde leitet die Personalabteilung eines Pharmaunternehmens und ging jeweils drei Monate nach der Geburt wieder arbeiten.

Die Großfamilie aus dem Stuttgarter Raum ist dabei doch lange nicht die Norm, aber in guter Gesellschaft. Heute gibt es laut aktuellen Zahlen in Deutschland fast 1,8 Millionen Elterngeldbezieher, knapp ein Viertel davon männlich, Tendenz steigend. Das bayerische Sozialministerium brüstet sich gerne damit, dass im Freistaat 43,4 Prozent der Väter in Elternzeit gehen, so viel wie fast nirgendwo in Deutschland. Nur Sachsen liegt mit 46,7 Prozent noch weiter über dem Bundesdurchschnitt von 35,7 Prozent. Parallel ist immer mehr von neuen Vätern die Rede, laut der International Labour Organization (ILO), einer Sonderorganisation der Vereinten Nationen, sind diese modernen Männer sogar die wichtigste gesellschaftliche Veränderung des 21. Jahrhunderts. Ein Wandel, der sich auch in der Infrastruktur des Alltags manifestiert: In New York müssen seit Anfang 2018 sogar alle Herrentoiletten in öffentlichen Gebäuden mit Wickeltischen ausgestattet werden.

Und dennoch, trotz immer mehr Vätern, die begeistert backen, das Baby baden und Kinder zur Schule bringen, hadern Männer laut Studien noch viel mit vorherrschenden Rollenklischees, Diskriminierung am Arbeitsplatz und – das ist nicht zu unterschätzen – der mangelnden Fähigkeit ihrer Partnerinnen, Aufgaben auch mal abzugeben.

„Ein Vater ist in einer Krabbelgruppe unter lauter Müttern ein Exot“, kann der erste kommunale Männerbeauftragte Deutschlands, Matthias Becker in Nürnberg, bestätigen. Und da liegt für Becker und viele Experten auch der Kern des Problems: Nämlich eben der alte Rollenkonflikt und die Deutungshoheit über den modernen Mann. Ob verheiratet, Single oder in einer Beziehung – allerorts hadert man(n) mit seinem Selbstverständnis und seinen Aufgaben. „Manche würden gerne ganz aus ihrer Rolle als Haupternährer ausbrechen und sich mehr um Haushalt und Kinder kümmern. Sie wissen nur nicht, wie sie das anstellen sollen“, erzählt der Diplom-Sozialpädagoge Becker. Zehn bis 15 Beratungsgespräche führt der „Ansprechpartner für Männer“ – so Beckers selbst gewählter Titel – pro Woche. Das häufige Anliegen der Ratsuchenden: mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, was oft nicht einfach umzusetzen ist. Dabei belegt auch eine aktuelle Studie des Instituts für Demoskopie Allensbach, dass 82 Prozent der Bevölkerung denjenigen für einen guten Vater halten, der Elternzeit nimmt. Fragt man die Mütter nach ihren Wünschen, ist die Rede von gleichberechtigter Partnerschaft, dass man sich gegenseitig hilft.

Der Autor Leander Scholz plädiert derweil in seinem Buch „Zusammenleben“ (Hanser): „Werdet endlich echte Väter.“ Im Interview erklärte der 49-jährige Ex-Verleger, der für seinen Sohn anderthalb Jahre Elternzeit nahm: „Die Erfahrung, zu Hause zu sein, alleine mit einem kleinen Kind, um das man sich kümmern muss, war erst mal für mich eine anstrengende Erfahrung, weil das ganz andere Seiten der Persönlichkeit anspricht.“ Man werde ständig unterbrochen, weil man sich auf die Bedürfnisse und die Nöte eines kleinen Kindes einlassen müsse. „Wenn meine Frau abends nach Hause kam und sie von ihrem beruflichen Alltag erzählt hat, fiel es mir viel schwerer zu sagen, was hab ich denn genau erlebt, obwohl es ein sehr intensiver Tag war mit einem kleinen Kind.“

Glückshormone beim Spielen mit dem Vater

Tatsächlich, so wiesen Wissenschaftler nach, werden beim Spielen mit dem Vater wichtige Bindungshormone wie Beta-Endorphin ausgeschüttet. Das fördert das Glück und den Zusammenhalt. „Ich glaube, mehr Väter müssten sich einfach trauen, einen Abschnitt ihres Lebens für ihre Kinder herzugeben“, sagt der fünffache Vater Thomas. So wie auch der Historiker Tillmann Bendikowski, der in seinem Buch „Unter Müttern“ seine Elternzeit mit seinem Baby-Sohn beschreibt. Das Vater-Kind-Duo nahm einst an einem Krabbelkurs teil, als der Kleine anfing, laut zu weinen. Die Kursleiterin versuchte daraufhin, ihm den brüllenden Säugling aus dem Arm zu nehmen. „Das Kind braucht jetzt eine Mutter“, sagte sie zu Bendikowski und meinte damit sich selbst. Bendikowski rief reflexartig zurück: „Ich bin die Mutter.“