Frankfurt/Main.

Eigentlich geht die Geschichte eines in der Öffentlichkeit gefallenen Helden so: Der Held steht wieder auf, zeigt Reue, lässt sich helfen, feiert bestenfalls ein Comeback. Nach seiner Festnahme auf Mallorca, als er auf das Grundstück von Schauspieler Til Schweiger eingedrungen war, nimmt die Geschichte von Jan Ullrich eine andere Wende: Der frühere Radstar fällt noch tiefer.

Am Freitagmorgen gegen sechs Uhr ist der 44-Jährige erneut festgenommen worden, diesmal in Frankfurt/Main. Er vergnügte sich mit einer Prostituierten im Fünf-Sterne-Hotel Villa Kennedy im Stadtteil Sachsenhausen. Dann, nach einem Streit, eskalierte die Situation wohl. „Es soll zu einem körperlichen Angriff auf die Frau gekommen sein“, sagte Oberstaatsanwältin Nadja Niesen. „Hierbei soll der Beschuldigte sie gewürgt haben, bis ihr schwarz vor Augen wurde.“

44-Jähriger soll erneut Drogen konsumiert haben

Die Frau sei geflüchtet, habe sich an das Personal gewandt und gebeten, die Polizei zu rufen. Sie wurde medizinisch versorgt und sollte dann vernommen werden, um – so die Frankfurter Polizei – „den Tatvorwurf zu entkräften oder zu konkretisieren“. Nach Angaben der Polizei ermittelt die Mordkommission, die bei allen mutmaßlichen Straftaten gegen das Leben zuständig ist.

Nach Mitteilung der Staatsanwaltschaft lautet der Vorwurf auf versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung. Für Ersteres gebe es aber „keinen dringenden Tatverdacht“, sagte die Sprecherin. Am Freitagabend konnte Ullrich das Frankfurter Polizeipräsidium wieder verlassen. Nach Informationen der „Bild“-Zeitung wurde er in eine Psycho-Klinik in Frankfurt gebracht.

Die Ermittlungen aber gehen weiter. Haftbefehl wurde nicht erlassen. Dafür hätte ein dringender Verdacht auf eine erhebliche Tat und ein Haftgrund, etwa Fluchtgefahr, bestehen müssen. Nur unter diesen Voraussetzungen kann eine Untersuchungshaft angeordnet werden.

Zur Tatzeit habe Ullrich unter „massivem Alkohol- und Drogeneinfluss“ gestanden. Am Nachmittag war der ehemalige Sportprofi noch nicht vernehmungsfähig, später machte er von seinem Recht Gebrauch, die Aussage zu verweigern. Ob in seinem Hotelzimmer tatsächlich eine weiße, pulvrige Substanz sichergestellt wurde, wie „Bild“ berichtet, wollte die Staatsanwaltschaft nicht bestätigen. Ullrichs Anwalt Wolfgang Hoppe äußerte sich zu dem Vorfall bisher nicht.

Erst am Abend zuvor war Ullrich mit dem Privatjet aus Mallorca in Deutschland gelandet. Er wollte dort eine Therapie beginnen. „Bild“ hatte mit dem vierfachen Vater telefoniert, als er gerade in seiner Finca seine Koffer packte. „Ich habe ein gutes Bauchgefühl, fühle mich wohl. Das wird ein Neustart“, wird er zitiert.

Auf Mallorca hatte Ullrich verbrannte Erde hinterlassen. Vor einer Woche war es dort zum Streit mit seinem Nachbarn, dem Schauspieler Til Schweiger, gekommen. Der hatte gerade Besuch von Freunden, als Ullrich sich uneingeladen Zutritt zum Grundstück verschafft und schließlich randaliert haben soll. Die spanische Polizei nahm ihn wegen „gewaltsamen Eindringens und Bedrohungen“ eine Nacht in Gewahrsam.

Therapie „aus Liebe zu den Kindern“

Einen Tag später wurde er von einem Richter befragt, der schließlich ein Kontaktverbot aussprach: Ullrich darf sich seinem Nachbarn und früheren Kumpel Til Schweiger nur bis auf 50 Meter nähern.

Später räumte Ullrich zwar keine Sucht, aber dennoch den Konsum von Drogen ein. Grund für die Lebenskrise sei die Trennung von Ehefrau Sara, die Ende 2017 mit den drei gemeinsamen Söhnen ausgezogen war. „Die Trennung und die Ferne zu meinen Kindern, die ich seit Ostern nicht gesehen und kaum gesprochen habe, haben mich sehr mitgenommen. Dadurch habe ich Sachen gemacht und genommen, die ich sehr bereue“, beteuerte Ullrich in „Bild“. „Aus Liebe zu meinen Kindern“ wolle er eine Therapie beginnen.

Der Tour-de-France-Sieger von 1997 hatte immer wieder für Negativschlagzeilen gesorgt. Neben seiner Doping-Affäre, die er nur unzureichend aufarbeitete, verursachte er 2002 und 2014 unter Alkoholeinfluss Autounfälle.