Abendblatt-Autor Alexander Berthold hat sich in das Sportgerät Rollstuhl gesetzt und mit Nationalspielern trainiert

    Basketball hat mich immer fasziniert. Ich bin in den 1990er-Jahren aufgewachsen, als Michael Jordan und die Chicago Bulls Titel um Titel in der nordamerikanischen Profiliga NBA sammelten, als die Streetball-Welle über den großen Teich nach Deutschland kam. Es war cool, in den Schulpausen oder nach dem Unterricht mit den Kumpels ein paar Körbe zu werfen. Deshalb war ich gleich bereit einmal auszuprobieren, wie sich Basketball im Rollstuhl so anfühlt.

    Männer-Bundestrainer Nicolai Zeltinger sowie Spielerinnen und Spieler aus der Herren- und-Damen-Nationalmannschaft gaben kurz vor dem Turnier einen Einblick in ihren Sport. Zugegeben: Ich hatte die Befürchtung, dass es sich befremdlich anfühlen würde, sich als gesunder Mensch in einen Rollstuhl zu setzen. Doch bereits nach den ersten gefahrenen Metern machte es Spaß. Nach und nach bekam ich halbwegs das Gefühl, dass der federleichte und unglaublich wendige Rollstuhl das macht, was ich wollte.

    Um ein Wurfgefühl zu bekommen, waren einige Körbe etwas tiefer gehängt. Die 3,05 Meter hohen Profikörbe wirken aus der sitzenden Perspektive ungleich höher. Nachdem die ersten Würfe einem Airball-Festival glichen, flogen die ersten Bälle – wenn auch aus kurzer Distanz – dann doch in den Korb. Die ersten Erfolgserlebnisse taten gut, der Spaßfaktor stieg mit jedem Treffer.

    Nach dem Shoot-Around, wie es die Amerikaner nennen, begann Coach Nicolai Zeltinger sein Training. Eine kurze Fragerunde, Erklärung der Regeln, und los ging es: Übung eins: Fangen spielen mit einem Partner. Ich habe mir als Partner Kai Möller, Paralympics-Teilnehmer von 2016 in Rio und bis vor Kurzem Kapitän der Hamburger BG Baskets, ausgesucht. Wenn es eine Goldmedaille im Versagen beim Fangenspielen gegeben hätte: Ich hätte sie verdient gehabt. Unfassbar, wie wendig und geschickt sich mein „Gegenspieler“ bewegt hat. Ich hatte nicht den Hauch einer Chance. Ich hechelte dem gelernten Kaufmann hinterher, und immer wenn ich das Gefühl hatte: Jetzt kriege ich ihn, war er wieder ganz woanders.

    Ohnehin ist Koordination die viel-leicht wichtigste Eigenschaft, die man beim Rollstuhlbasketball braucht. Das wurde mir bewusst, als mir Bundestrainer Zeltinger die Basics erklärt hat. Zweimal Schwung holen ist erlaubt, dann passen oder dribbeln. Am besten beidhändig, gerne auch Crossovers oder hinter dem Rücken. Und den Ball beim Fahren möglichst nicht in den Schoß legen, da sonst der Gegner leichtes Spiel hat, einen
    „Steal“ zu machen, den Ball zu stehlen. Koordinative Reizüberflutung, die mich zu Beginn komplett überfordert hat. Ich war froh, wenn ich mich unfallfrei geradeaus bewegen konnte. „Alex, versuch mal den Rollstuhl nur mit den Hüften zu steuern und Kurven zu fahren“, riet mir der Bundestrainer. Gesagt, getan ... oder so ähnlich. Serpentinen wollten mir irgendwie trotz meines Hüftschwungs nicht gelingen, aber immerhin bekam ich ein immer besseres Gefühl für den Rollstuhl.

    Wie es sich für eine typische Trai-ningseinheit in einer Ballsportart gehört, gab es zum Abschluss ein Spiel. Fünf gegen fünf auf großem Feld. Wir Journalisten gemischt mit Nationalspielern. Ein Riesen-Spaß und brutal anstrengend. Gerade das Umschaltspiel von Offensive auf Defensive und umgekehrt geht richtig in die Arme, wenn man versucht im „Vollsprint“ dem Spielgeschehen zu folgen. Irgendwie packte mich der Ehrgeiz. Mindestens einen Korb wollte ich dem Bundestrainer dann doch zeigen. Und siehe da: Kurz vor dem Ende bekomme ich den Pass, halb links vom Korb positioniert, Entfernung ungefähr zwei Meter. Obwohl meine Arme so langsam lahm wurden, nahm ich den Wurf und das orangene Leder segelte gefühlt in Zeitlupe in das weiße Netz. Ein Jubelschrei, ein Lob vom Coach und der scherzhafte Rat eines Mitspielers, ich solle meine Karriere sofort beenden. Besser könne es ja nicht werden.

    Nach gut anderthalb Stunden war die Einheit beendet. Ich war schweißgeba-det. So anstrengend, das gebe ich offen zu, hätte ich Rollstuhlbasketball nicht erwartet. Das merkte ich vor allem am nächsten Morgen, als mein Oberkörper einem einzigen Muskelkater glich. Diese besondere Trainingseinheit hat sich gelohnt. Es war eine unglaubliche Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich hoffe, dass meine erste Berührung mit dem Rollstuhlbasketball nicht meine letzte war. Auf jeden Fall werde ich mir die Nationalmannschaften der Herren und Damen bei der Heim-WM in Wilhelmsburg anschauen. Für einen Platz im Nationalmannschaftskader wird es für mich sicher nicht mehr reichen. In das Sportgerät Rollstuhl würde ich trotzdem jederzeit wieder einsteigen.