Berlin.

Regen, endlich Regen. Zumindest im Westen und Süden des ausgedörrten Deutschland ist nach Wochen der Trockenheit ein bisschen Niederschlag gefallen. Mancherorts in Sturzbächen, doch insgesamt zu wenig, um die Böden zu durchfeuchten. Für manchen landwirtschaftlichen Betrieb aber nährt das Wasser die Hoffnung, dass sich die Ernteausfälle vielleicht doch in Grenzen halten.

Die Bauern sehnen das Ende eines extremen Hitzesommers herbei und fordern angesichts zu erwartender Ertragsausfälle eine Milliarde Euro an Soforthilfe. Doch in der Diskussion um die Folgen der globalen Erwärmung sind sie Täter und Opfer zugleich, wie eine neue Studie der Umweltstiftung WWF verdeutlicht. Sie fordert: „Wir brauchen dringend einen umfassenden Wandel in der Agrarpolitik hin zu einer wirklich nachhaltigen Nutzung unserer Böden, damit sie vom Heizkörper zum Schattenspender für das Klima werden“, sagt Christoph Heinrich, Vorstand für den Bereich Naturschutz beim WWF.

Denn Böden sind beides: Treiber der Klimakrise und zugleich die größte CO2-Deponie, die der Planet hat. Dreimal so viel Kohlenstoff wie in der Atmosphäre steckt in den Böden weltweit – ein Stabilisator für das Klima, solange er seine Aufgabe erfüllt. Als „CO2-Senken“ spielen diese Speicher in den internationalen Verhandlungen um globale Klimaschutzmaßnahmen eine wichtige Rolle. Der WWF indes sieht diese Schutzfunktion mit Füßen getreten: „In Deutschland verlieren wir pro Jahr aktuell zehn Tonnen an fruchtbarem Boden pro Hektar Ackerland. So darf es nicht weitergehen, wenn wir das Klima schützen und das Überleben unserer Landwirtschaft sichern wollen“, sagt Heinrich.

Fast ein Viertel der weltweit ursprünglich landwirtschaftlich genutzten Böden sei bereits schwer geschädigt oder – buchstäblich – verwüstet. „Die Landwirtschaft ernährt uns, und gleichzeitig befeuert sie die Erderhitzung“, schreibt WWF-Autorin Birgit Wilhelm in dem Papier, das am heutigen Donnerstag veröffentlich wird. „Die Menschen machen die Böden zum Treiber der Klimakrise, obwohl sie CO2-Speicher seien könnten.“

Laut Umweltbundesamt summieren sich die Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft auf knapp über sieben Prozent aller Emissionen. Neben dem Ausstoß aus der Massentierhaltung stamme der größte Anteil aus der Bodenbewirtschaftung und Düngung, rechnet der WWF vor. 67 Millionen Tonnen sind es insgesamt.

Der Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung sieht für die Landwirtschaft vor, dass die Menge klimaschädlicher Gase bis 2030 um 31 bis 34 Prozent sinken soll. „Wir stehen zu diesem ehrgeizigen Ziel“, ließ der Deutsche Bauernverband dazu verlauten, verwies jedoch auch darauf, dass Emissionen in der Landwirtschaft natürlichen Kreisläufen entstammten und nicht gänzlich unterbunden werden könnten. Tatsächlich sind das Methan pupsender Kühe und Lachgas, das aus Kunstdünger freigesetzt wird, schwieriger zu regulieren.

Der WWF hingegen plädiert in seinem Papier für den Blick aufs Ganze. „Die Landwirtschaft lebt von der Substanz, sie ist also nicht nachhaltig“, argumentiert Birgit Wilhelm. Eine der Lösungen sei, gegenwärtige Ackerbautechniken massiv zu verändern. So müsse der Humusanteil in den Böden deutlich erhöht werden, denn dieser sei entscheidend für die natürliche Bodenfruchtbarkeit. Humusreicher Boden bindet weit mehr Kohlenstoff. Um das zu erreichen, fordert der WWF von den Bauern Veränderungen bei den Fruchtfolgen.

Damit gemeint ist: Auf deutschen Äckern garantiert der Anbau von Mais, Zuckerrüben, Raps oder Weizen den Landwirten gute Erlöse. Doch der Anbau von Monokulturen laugt die Böden aus. Durch einen höheren Anteil von Hülsenfrüchtlern – etwa Lupine, Ackerbohne oder Soja – steigt die Qualität des Bodens wieder, etwa das Wasserhaltevermögen. Diese Pflanzen kommen besser mit Hitze und Dürre zurecht. Wie wichtig das für Böden ist, zeigt dieser Hitzesommer.

Der WWF fordert zudem, den Eintrag von Düngern drastisch zu reduzieren: „Es sollten weniger, bestenfalls keine synthetischen Stickstoffdünger mehr in die Böden gelangen“, sagt Christoph Heinrich. „Sie sind die mit Abstand wichtigste Ursache für bodenbürtige und extrem klimaschädliche Lachgasemissionen.“ Der Ökolandbau, bei dem Stickstoffdünger und chemisch-synthetische Pestizide verboten sind, muss nach Ansicht des WWF ausgeweitet werden. Die Umweltstiftung verweist auf eine Berechnung der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegung. Danach würde eine sofortige hundertprozentige Umstellung der EU-Landwirtschaft auf Biostandard bis 2030 zu einer Reduktion der landwirtschaftlichen Emissionen in der EU um 35 Prozent führen.

Dass der Boden für das Klima so wichtig ist, hat die Politik erkannt. So finden sich im Koalitionsvertrag von Union und SPD Ankündigungen, den Einsatz von Pestiziden wie Glyphosat oder von Düngemitteln zu reduzieren. Die wirklichen Weichenstellungen aber stehen unmittelbar bevor: Die EU-Mitgliedsstaaten verhandeln in diesen Wochen darüber, wie ab dem Jahr 2021 die Agrarsubventionen von jährlich 59 Milliarden Euro verteilt werden. Der WWF schlägt vor, sie klarer an Umweltkriterien zu knüpfen.