Das Drama „Aus nächster Distanz“ erzählt von einer Israelin, die eine libanesische Kollaborateurin beschützen muss

    Die Prämisse für den neuen Film des israelischen Regisseurs Eran Riklis ist zugleich simpel und bedeutungsträchtig: Eine ehemalige Mossad-Agentin wird zurück in den Dienst berufen als Leibwächterin für eine libanesische Kollaborateurin. Als läge in dieser jüdisch-arabischen Begegnung noch nicht Zündstoff genug, spielt das Ganze in einem „Safe House“ in Deutschland, genauer in Hamburg.

    Wenn Naomi (Neta Riskin) vor das Haus tritt, in dem Mona (Golshifteh Farahani) versteckt wird, sind dort jene „Stolpersteine“ zu sehen, mit denen das Gedenken an die Opfer des Nazi-Regimes im Alltag der Bundesrepublik ver­ankert ist. Und wenn sie sich, verkleidet als Katholikin mit Kreuzkettchen, vom Hausmeister die Wohnungsschlüssel geben lässt, betrachtet sie ihn mit dem Misstrauen der Nachfahrin von Überlebenden, die in ihm noch immer das Erbe der Täter vermutet.

    Andererseits gehört das ständige Misstrauen zu Naomis „Modus Operandi“: Misstrauen gegenüber dem Kioskverkäufer, der ein Informant sein könnte, gegenüber dem Mann im Fenster auf der anderen Straßenseite, der wie ein feindlicher Agent aussieht, auch gegenüber dem freundlichen jungen Mann, der sich als neuer Nachbar vorstellt. Die Phrase von der Paranoia-Diagnose gilt für Naomi doppelt und dreifach.

    Im Zentrum aber steht das mangelnde Zutrauen, das Naomi gegenüber ihrem „Objekt“, der libanesischen Informantin hegt. Das hat weniger mit Monas nationaler Identität zu tun als mit der Frage, die Naomi sich nicht zu stellen traut: Warum hat Mona ihre eigenen Leute verraten? Steckt dahinter sogar eine Falle, um den israelischen Geheimdienst auffliegen zu lassen? Dass Mona einen Gesichtsverband trägt, macht die Sache nicht einfacher. Die Operation soll Mona unkenntlich machen und ihr ein neues Leben in einem Zeugenschutzprogramm ermöglichen. Sie macht es Naomi schwer, Monas „wahres“ Gesicht erkennen zu können.

    Mit Geheimdienst-Dramen assoziiert man meist Action-Filme und eine Handlung, die sich über mehrere Kontinente erstreckt. Eran Riklis’ Verfilmung einer Kurzgeschichte von Shulamith Hareven aber macht aus dem Stoff ein in seiner Langsamkeit fast enervierendes Kammerspiel. Zwar gibt es Parallelmontagen, in denen Vertreter von Hisbollah, BND und eines US-Geheimdienstes in dunklen Andeutungen Dinge verabreden oder androhen. Der Fokus aber bleibt auf den zwei ungleichen Frauen und ihrer ungemütlichen Wohngemeinschaft. Wobei absehbar ist, dass sich die weibliche Solidarität irgendwann Bahn brechen wird, was nicht unbedingt zum Thrill beiträgt.

    Riklis ist bekannt geworden durch zwei Filme, in denen ebenfalls Frauen im Mittelpunkt standen und symptomatisch die Konflikte seiner Heimat Israel verkörperten. In „Die syrische Braut“ (2004) thematisierte er die Grenzen, die von Bürokratie und Vorurteilen zementiert werden. In „Lemon Tree“ (2008) spielte Hiam Abbas eine palästinensische Witwe, die sich dagegen wehrt, dass ihr Zitronenhain den Sicherheitsbedürfnissen eines israelischen Ministers weichen muss, der das Haus neben ihr bezieht. In beiden Filmen waren die Frauen weniger eigenständige Figuren als Projektionsflächen.

    Das ist in „Aus nächster Distanz“ leider nicht anders. Die persönlichen Motivationen, mit der Naomis und Monas Handlungen unterlegt werden, laufen am Ende wieder in einem Stereotyp zusammen: dem der Mutterfigur. Auch Palästinenserinnen lieben ihre Kinder.

    „Aus nächster Distanz“ D 2017, 93 Min., ab 12 J., R: Eran Riklis, D: Neta Riskin, Golshifteh Farahani, täglich im Studio-Kino