Die Menschen lesen immer weniger. Ein trauriger Trend, der kaum aufzuhalten ist. Die es trotzdem tun, scheinen sich wie eine Trutzgemeinde zu verschwören. Es gibt immer mehr Romane, die von magischen Büchern handeln, von leidenschaftlichen Lesern, verwunschenen Bibliotheken oder Buchclubs, in denen Leute nicht nur lesen, sondern sich auch darüber austauschen. Die Filmindustrie hat sicher einen Teil dazu beigetragen, dass die Lesekultur im vergangenen Jahrhundert so stark zurückgegangen ist. Gleichzeitig braucht sie Stoffe und plündert dafür auch die Literatur gern aus.

Zuweilen eben auch Bücher, die von Büchern handeln. Auch wenn ein Bestsellererfolg sich auf der großen Leinwand nicht unbedingt wiederholen muss. Titel wie „Der Buchladen der Florence Green“, „Die Bücherdiebin“ oder „Der Jane-Austen-Club“ liefen im Kino nicht sehr zufriedenstellend, Cornelia Funkes „Tintenherz“-Trilogie wurde nach nur einem Film gar nicht erst weiterverfolgt.

Man darf gespannt sein, wie es nun der Bestsellerverfilmung „Deine Juliet“ geht. Ein Film, der auch von einem Buchclub handelt und von Briefen, die aus dem Off vorgelesen werden, von der Kraft des geschriebenen Wortes. Es geht aber auch um große Gefühle und eine große Schuld. „Deine Juliet“, der im Original wie der Roman von Mary Ann Shaffer und Annie Barrows etwas komplizierter „The Guernsey Literary And Potato Peel Pie Society“ heißt, spielt in der Nachkriegszeit in Großbritannien und dann auch während des Krieges, auf den Kanalinseln, dem einzigen Teil Englands, der von den Deutschen besetzt war. Ein kaum bekanntes Kapitel der britischen Geschichte.

Eine Handvoll Insulaner hat sich des Nachts mit selbst gebranntem Alkohol vergnügt. Und mit einem ungenießbaren Kartoffelschalenauflauf, weil die Deutschen ihnen sonst nichts zum Essen lassen. Dafür ignoriert das Grüppchen die Ausgangssperre, wird prompt von deutschen Soldaten erwischt. Und erfindet mal eben die „Guernsey Literatur- und Kartoffelauflauf-Gesellschaft“. Die Deutschen mögen das nicht glauben, wollen sich aber überzeugen, dass das nicht eine Widerstandsgruppe ist. Fortan muss der „Buchclub“ über die wenigen Bücher sprechen, die sie noch im Regal haben, und ein Deutscher sitzt immer dabei. Ironischerweise wird der Buchclub wirklich zu etwas, was die Unterdrückten zusammenschweißt. So bleibt der Leseclub, bleibt das Ritual auch über das Kriegsende hinaus erhalten.

Der Regisseur zeigt ein Kostümdrama mit epischen Landschaftsbildern

Dann erwirbt der Schweinehirt Dawsey Adams (Michiel Huisman) antiquarisch ein Buch, das der Londoner Autorin Juliet Ashton (Lily James) gehörte. Weil er sonst niemanden in London kennt, bittet er sie, ob sie dem Club nicht ein bestimmtes Buch schicken könnte. Was der Bauer nicht ahnen kann: Durch den Verlust der Eltern im „Blitz“ ist die junge Autorin unfähig, weiter unterhaltende Bücher zu schreiben. Sie braucht eine Auszeit und neue Ideen. Sie macht sich auf den Weg nach Guernsey, um diesen seltsamen Buchclub kennenzulernen. Und darüber einen Artikel zu schreiben.

Dort angekommen, sind die Clubmitglieder keineswegs angetan davon, dass man ihre Geschichte ausschlachten will und die Nation über sie lachen könnte. Juliet bekommt aber heraus, dass ein tiefer Schmerz den Club verbindet. Die Gründerin des Ganzen, Elizabeth (Jessica Brown Findlay), fehlt nämlich. Sie hatte eine Affäre mit einem Deutschen, wurde denunziert und in ein KZ gebracht. Statt nur die eigene Schreibblockade zu bekämpfen, recherchiert die junge Frau nun auch gegen den Widerstand so manchen Inselbewohners die ganze Wahrheit.

Eine Geschichte über Schuld, Kriegstraumata und Wunden, die nicht heilen wollen. Aber auch über Völkerverständigung und eine im Grunde unmögliche Liebe. Regisseur Mike Newell („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“) inszeniert das als großes Kostümdrama mit epischen Landschaftsaufnahmen, in dem das Meer die Küste aufwühlt wie die Gefühle die Herzen. Allerdings funktioniert die verwickelte Struktur mit den zwei Zeitebenen im Buch weit besser als im Film. Dort kommt die Rahmenhandlung selten über seine bloße Klammerfunktion hinaus.

Dabei soll hier noch eine zweite Liebesgeschichte erzählt werden. Die Autorin hat nicht nur eine Schreibblockade, sie verliebt sich auch in den Bauern, obwohl doch in London ein Millionär auf sie wartet. Als müsste sie sich zwischen zwei Fernsehformaten entscheiden: „Bauer sucht Frau“ oder „Wer wird Millionär?“ Mike Newell weiß den Kitsch, immer wenn er gar zu offensichtlich wird, durch dramatische Momente auszugleichen.

Das Ganze wird getragen vom Charme der zauberhaften Lily James, die sich vor einem Jahr mit „Baby Driver“ in die Erste Liga spielte und jüngst selbst die undankbare Rolle, in der „Mamma Mia!“-Fortsetzung Meryl Streep in jung zu spielen, bravourös meisterte. Lily James ist so süß, dass man davon Karies kriegt. Sie macht auch die schnulzigen Momente ertragbar. Und den faden Kartoffelauflauf.

„Deine Juliet“ GB/USA 2018, 124 Minuten, ab 6 Jahren, Regie: Mike Newell, Darsteller: Lily James, Matthew Goode, Jessica Brown Findlay, Michiel Huisman, täglich im Blankeneser, Cinemaxx Dammtor/Harburg, Koralle, Passage, UCIs Mundsburg/Othmarschen Park/Wandsbek