Freiburg.

Die Frau, die ihren eigenen Sohn verkauft hat, starrt in die Luft. Während der Richter zwei Stunden lang das Urteil verliest und begründet, wirkt sie abwesend. Manchmal kreuzt sie die Arme auf der Anklagebank und lehnt ihren Kopf darauf. Als ginge sie das alles nichts an. Dabei hat das Landgericht Freiburg soeben verkündet, dass sie lange ins Gefängnis muss: zwölfeinhalb Jahre Haft.

Ihr Lebensgefährte bekommt zwölf Jahre mit anschließender Sicherungsverwahrung. Das so verschiedene Paar wird sich lange nicht sehen: Berrin T. (48), eine Frau von ungepflegter Erscheinung, übergewichtig, zerknittertes blaues T-Shirt, das schüttere Haar zum Zopf zusammengebunden. Und Christian L. (39), der auf sein Aussehen achtet, die schwarzen Haare gegelt und den Kinnbart sauber ausrasiert hat. Als das Gericht die beiden wegen Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs sowie Zwangsprostitution verurteilt, kaut er Kaugummi und wippt in schnellem Takt mit dem Fuß.

Mehr als zwei Jahre lang haben die beiden den zehnjährigen Sohn der Frau im sogenannten Darknet Pädophilen angeboten, ihn misshandelt und vergewaltigt. Insgesamt 42.500 Euro Schmerzensgeld sollen sie an den Jungen sowie an ein weiteres Opfer, ein zur Tatzeit dreijähriges Mädchen, zahlen. Mit den beiden Urteilen endet die juristische Aufarbeitung der bundesweit einmaligen Tatserie. Doch was Berrin T. dazu trieb, ihr eigenes Kind zu quälen, bleibt ein Rätsel.

Berrin T. stammt aus schwierigen Verhältnissen. Ihre Eltern starben früh, der drogenabhängige Vater ihres Sohnes erlag kurz nach der Geburt einer Überdosis. Christian L. lernte sie Ende 2014 bei der Tafel in ihrem badischen Wohnort Staufen kennen. „Die Beziehung hatte eine überragende Bedeutung für sie“, stellt der Vorsitzende Richter Stefan Bürgelin fest. Sie war aber kein willfähriges Anhängsel, das die Taten ihres pädophilen Freundes lediglich deckte – diesen Eindruck hatte sie gegenüber der Polizei zu erwecken versucht. Sie habe genauso Lust beim Missbrauch des Jungen empfunden. Später, so Bürgelin, sei es ihr auch ums Geld gegangen: Einige der bereits verurteilten sechs pädophilen Freier zahlten mehrere Tausend Euro.

Behörden schieben sich Verantwortung zu

Tatsächlich fügte die Mutter dem Jungen noch größere Schmerzen zu als ihr Freund. Von allen Angeklagten erhielt sie die höchste Haftstrafe. Direkt nach der Urteilsbegründung erklärt sie über ihren Anwalt, sie erkenne das Urteil an und werde nicht in Revision gehen.

Ein Gutachter stellte bei ihr eine Intelligenzminderung fest. Trotzdem gelang es ihr, den Behörden lange vorzutäuschen, sie sei eine liebende Mutter. Christian L., der sich vor Jahren schon einmal an einem Kind vergangen hatte, sollte auf richterliche Anordnung engmaschig überwacht werden, der Kontakt zu Kindern war ihm gerichtlich verboten. Berrin T. versicherte, sie werde darauf achten, dass ihr Sohn niemals allein Zeit mit ihrem neuen Freund verbringen werde. Eine Lüge, die aufging, weil niemand kontrollierte, ob sie das wirklich tat. Amtsgericht und Jugendamt schieben sich dafür gegenseitig die Verantwortung zu. Niemand habe damit rechnen können, dass eine Mutter aktiv ihr eigenes Kind vergewaltigt, heißt es entschuldigend vom Jugendamt. Staatsanwältin Nikola Novak erkennt ein „strukturelles Problem“: „Kinder gehören mehr in den Fokus der Behörden.“

Derweil zeigt Berrin T. keine Reue. Nach der Urteilsverkündung wird sie in Handschellen abgeführt. „Ich hätte mir gewünscht, dass sie sich wenigstens abseits des Prozesses äußert oder sich schriftlich bei ihrem Kind entschuldigt“, sagt Katja Ravat, die Anwältin des Kindes, im Flur vor dem Gerichtssaal. Die Frau habe dem mittlerweile in einer Pflegefamilie lebenden Jungen seit ihrer Festnahme im September 2017 dreimal geschrieben – „oberflächliche Postkarten“.