Klimawandel, Umweltschutz, Terrorismus: Der Zustand der Welt ist ein Thema, das auch Regisseur Wim Wenders immer wieder umtreibt. In seinem neuen Spielfilm „Grenzenlos“ versucht er nun, die großen Probleme der Menschheit in einer so romantischen wie melodramatischen Liebesgeschichte aufzufächern, einer Liebesgeschichte, die anmutet wie das Lied von den zwei Königskindern, die nicht zusammenkommen können, weil das Wasser viel zu tief ist.

Es geht um zwei Menschen in Ex­tremsituationen, die der Zufall in einem Luxushotel an der Küste der Normandie zusammenführt. Beide haben sich eine Auszeit genommen, um sich auf kommende Aufgaben vorzubereiten. Die Biomathematikerin Danny Flinders (Alicia Vikander) steht vor ihrer ersten großen Tauchfahrt, um unbekannte Lebensformen in der Tiefsee zu erforschen. James More (James McAvoy) gibt sich als Wasserbauingenieur aus, ist aber eigentlich Agent des britischen Geheimdienstes, der in Somalia ein Terrornetzwerk ausspionieren soll.

Nur ein paar Tage bleiben den beiden, um sich vor der in imposanten Bildern gefilmten Küste und abends im dämmerigen Hotelzimmer ganz nah zu kommen. Es ist ein schicksalhaftes Zusammentreffen, das in der Gewissheit mündet, dass beide füreinander bestimmt sind. Kurz darauf bricht der Kontakt ab, was die junge Professorin nicht verstehen kann. Was sie nicht weiß: Während sie sich auf das Forschungsschiff „L’Atalante“ begibt (eine Reminiszenz an Jean Vigos gleichnamigen Filmklassiker von 1934), wird James von somalischen Dschihadisten gefangen genommen.

Fortan fließen drei Erzählstränge ineinander. Was dem Fluss der Geschichte nicht wirklich guttut. „Grenzenlos“ basiert auf dem wortgewaltigen Roman „Submergence“ des schottischen Afrika-Korrespondenten und Kriegsberichterstatters J. M. Ledgard. Drehbuchautorin Erin Dignam hat die episch-tiefgründige Erzählung auf ein kinoverträgliches Maß heruntergebrochen. So wird in immer kürzeren Sequenzen zwischen Dannys Tauchexpedition, James’ Leiden im Dschihadistenlager und in Rückblenden auf die paar schönen Tage von Dieppe quasi hin- und hergeschaltet.

Im Lager der islamistischen Terroristen trifft James auf einen Arzt (Alexander Siddig), von dem er sich Hilfe erhofft. Doch auch der ist nur willfähriger Gehilfe der Islamisten. „Medizin ist Mitleid“, sagt er dem Gefangenen. „Dschihad ist Pflicht.“ In einigen herben Szenen kommt es zu einer Steinigung, und in das Haus einer Familie wird eine Bombe geworfen, weil sie gerade ein allzu freizügiges TV-Programm ansieht.

Immer wieder ist es das lebensspendende Wasser, das symbolisch den ganzen Film durchfließt. Während Danny auf dem Atlantik auf eine Nachricht von James hofft, wird der an einem Strand in Somalia mit einer Scheinhinrichtung gefoltert. Während Danny mit dem Unterseeboot in die gefährliche Tiefe schwebt, taucht James bei einem Rettungsangriff ins offene Meer. Und um zu überleben, rezitiert James im Verlies immer wieder John Dunnes Gedicht „Niemand ist eine Insel“.

Das Drama wirkt am stärksten, wenn es um die Liebesgeschichte der getrennten Protagonisten geht. Wenders beweist großes Gespür für seine tragischen Helden. Eine gute Stunde lang geht das auch gut, doch dann verliert sich der Film in metaphernreichen Belanglosigkeiten, wobei auch die gestelzte deutsche Synchronisation zunehmend quälend wird. Die Expedition in die Tiefe, bei der im Forschungs-U-Boot plötzlich das Licht ausgeht, wirkt wie eine Pflichtübung, ist bar jeder Dramatik.

„Grenzenlos“ ist für Wenders’ Verhältnisse ein eher konventioneller Film, der in der zweiten Hälfte etwas aus den Fugen gerät. Er hat aber mit Alicia Vikander („The Danish Girl“, „Tomb Raider“) und James McAvoy („X-Men“, „Split“) ein überzeugendes Darstellerpaar. Den Film sollte man besser in der Originalfassung anschauen. Wenders’ Fans werden ihn mögen. Am Freitag kommt der Regisseur auch ins Hamburger Abaton.

„Grenzenlos – Submergence“ USA/D/E/F 2017, 112 Minúten, ab 12 Jahren, Regie: Wim Wenders, Darsteller: Alicia Vikander, James McAvoy, Alexander Siddig, täglich im Abaton (OmU), Koralle, Passage, Zeise