Lübeck.

Es ist Freitagnachmittag, als die Fahrt eines voll besetzten Linienbusses kurz vor einer Haltestelle am nördlichen Stadtrand von Lübeck ein dramatisches Ende nimmt. Um 13.47 Uhr zieht ein Fahrgast unvermittelt ein Messer und sticht offenbar wahllos auf seine Mitfahrer ein. Mehrere Menschen werden verletzt.

Der Täter sei von Fahrgästen überwältigt worden und befinde sich in Polizeigewahrsam, sagte die Lübecker Oberstaatsanwältin Ulla Hingst am Abend. Der Festgenommene sei ein 34-jähriger Mann deutscher Staatsangehörigkeit, der im Iran geboren wurde. Hinweise auf eine politische Radikalisierung oder einen terroristischen Hintergrund gebe es nicht, sagte Hingst. Das Motiv sei völlig unklar, es werde in alle Richtungen ermittelt.

Bei der Attacke kam zwar niemand ums Leben, mindestens zehn Menschen wurden aber verletzt, drei davon schwer. Fünf der Verletzten waren am Abend noch im Krankenhaus. Der Busfahrer habe einen Faustschlag abbekommen, berichtete die Staatsanwältin. Der Beschuldigte wurde noch am Freitag vernommen und soll am Sonnabend dem Haftrichter vorgeführt werden. Ihm wird schwere Körperverletzung und versuchte Brandstiftung vorgeworfen. Es bestehe Fluchtgefahr, sagte Hingst.

Nach Darstellung der Ermittler war der Bus der Linie 30 von Lübeck aus in Richtung Travemünde unterwegs, als der Mann in der Mitte des Gelenkbusses zunächst einen mitgebrachten Rucksack in Brand setzte.

Der Tatverdächtige fühlte sich offenbar verfolgt

Der Busfahrer beobachtete dies im Rückspiegel und reagierte schnell: Er stoppte das Fahrzeug auf freier Strecke und öffnete alle Türen, damit die Fahrgäste sich retten konnten. Dann ging der Busfahrer in den hinteren Teil des Busses, wo ihm der Tatverdächtige einen Faustschlag versetzte. Während der Mann den Bus verließ, stach er auf andere Fahrgäste ein. Die Tatwaffe beschrieben die Ermittler als ein 13 Zentimeter langes Küchenmesser. Einige Fahrgäste hätten den Mann dann überwältigen können. Zufällig in der Nähe befindliche Polizisten nahmen ihn fest.

Der Vater des mutmaßlichen Täters sagte „Spiegel TV“, sein Sohn habe sich „von den Nachbarn verfolgt“ gefühlt. Er habe behauptet, diese würden ihn mit „Strahlenangriffen“ schädigen. Außerdem soll sich der 34-Jährige Tatverdächtige mit seiner Ex-Partnerin um das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter gestritten haben. Der Mann, der mit Vornamen Ali heißt, kam nach Angaben seines Vaters mit sechs Jahren nach Deutschland, verließ das Gymnasium ohne Abitur, diente in der Bundeswehr und war zuletzt arbeitslos. Gläubig sei er nicht gewesen.

Eine Augenzeugin aus dem Bus schilderte den „Lübecker Nachrichten“ ihre Eindrücke: „Eines der Opfer hatte gerade seinen Platz einer älteren Frau angeboten, da stach der Täter ihn in die Brust. Es war ein Gemetzel!“ Ein 87-Jähriger, der in der Nähe des Tatorts – einer Landstraße im Lübecker Stadtteil Kücknitz – wohnt, berichtete: „Die Passagiere sprangen aus dem Bus und schrien. Es war furchtbar. Dann wurden die Verletzten abtransportiert. Der Täter hatte ein Küchenmesser.“

In dem Rucksack, den der Täter vor der Attacke fallen ließ, befand sich laut den Ermittlern Brandbeschleuniger, aber kein Sprengstoff. Am Nachmittag wurde der Rucksack vom Kampfmittelräumdienst untersucht. Der Bus wurde vom Tatort abgeschleppt. Schleswig-Holsteins Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU) dankte dem Busfahrer und den Hilfskräften für ihre Arbeit. Nach der Tat sagte Grote seine Teilnahme an der Eröffnung der Segelveranstaltung „Travemünder Woche“ am Freitagabend ab. Stattdessen fuhr er an den Tatort.