Premiere in Winsen: Der extravagante Kalifornier Bryson DeChambeau fällt nicht nur wegen seines Äußeren auf

    Der Typ fällt natürlich auf. Schon seit seinen ersten Auftritten noch als Amateur auf der Profitour. Allein die Schiebermütze... Das hat ja was. Ist so herrlich retro. Das ist doch viel stilvoller als die Basecap- Eintönigkeit der Kollegen und erinnert an legendäre Spieler wie Ben Hogan und Payne Stewart. Der junge Bryson DeChambeau hatte so eine Mütze in einem Pro Shop entdeckt, als er 13 Jahre alt war. „Sie hat mir so gut gefallen, dass ich sie gleich aufgesetzt habe“, erzählt er. Dabei ist es geblieben. Aus Stil wurde mit der Zeit ein Marketing-Instrument. Selbstverständlich hat der junge Kalifornier allein durch seine Mütze Individualität geschaffen. Übrigens: Sein Ausrüster bietet die Mütze für rund 35 Euro an.

    Eine Mütze allein aber macht natürlich keinen außergewöhnlichen Golfspieler aus. Das ist dieser 24 Jahre alte Mann aus dem Central Valley aber tatsächlich. Und nicht nur, weil er Anfang Juli bereits auf Platz 22 der Weltrangliste vorgerückt ist und beste Chancen hat, erstmals für das US-amerikanische Ryder-Cup-Team nominiert zu werden, das Ende September bei Paris seinen Titel gegen die Europäer verteidigen muss. Nein, Bryson DeChambeau gilt als großer Individualist auf und neben dem Platz. Einer, der das Golfspiel auch theoretisch versucht zu verstehen. „Ich gehe das Spiel ganz anders an als die meisten“, sagt er, „vor allem von einem wissenschaftlichen Standpunkt aus. Ich versuche, jede einzelne Variable in diesem Spiel zu verstehen.“

    So ist er auch zu seinem einzigartigen Schlägersatz gekommen. Seit seinem 17. Lebensjahr haben seine Eisen alle die gleiche Länge, die einem normalen Eisen sechs entspricht. Alle Schlägerköpfe wiegen 278 Gramm, die unterschiedlichen Distanzen kommen allein durch die verschiedenen Loftwinkel und die Gewichtsverteilung zustande. Gemeinsam mit seinem Trainer Mike Shy war er auf die Idee gekommen. „Ich war nicht in der Lage, mit zwei unterschiedlichen Schlägern 20 gleiche Schwünge hintereinander zu machen“, erinnert er sich, „durch die unterschiedlichen Schaftlängen musste ich beim Schwung immer etwas am Körper verändern. Das ergibt keinen Sinn.“

    Bryson DeChambeau hat einenMasters-Abschluss in Physik

    Diese Argument klingt auch für Hobby-Golfer logisch. Der Schläger-Hersteller Cobra nahm DeChambeau sofort unter Vertrag, nachdem er im April 2016 Profi geworden war. Inzwischen hat die Firma einen Schlägersatz mit gleichen Schaftlängen auch für Hobby-Spieler auf den Markt gebracht. Natürlich ist der junge Amerikaner da der ideale Werbeträger, er hat aber auch bei der Entwicklung aktiv mitgewirkt: „Ich will es den Amateuren einfacher machen.“ Dazu gehört auch sein Schwung, der immer auf der gleichen Ebene bleibt und keine Handgelenksdrehung einsetzt. Er hat sich dafür an einem Lehrbuch aus den 60-er Jahren orientiert: „Mit der Zeit habe ich mehr und mehr verstanden und bin allein durch dieses Verständnis konstanter geworden.“ Auch darin gleicht er der Legende Hogan, der nicht nur ein herausragender Spieler war, sondern der auch versucht hat, Golf technisch zu verstehen. Sein 1957 erschienenes Lehrbuch „Der Golfschwung“ gilt heute noch als Standardwerk.

    Bryson De Chambeau hat einen Master in Physik an einer Universität in Texas abgeschlossen, er hat sich schon als Sechsjähriger mit Algebra beschäftigt. „Verrückter Wissenschaftler“ ist sein Spitzname. Gerade ist er mit den Regelhütern des Golfsports aneinandergeraten, weil er einen Zirkel benutzt hat, um die exakte Fahnenposition zu ermitteln. Und er hat trainiert, seinen Namen mit der linken Hand rückwärts zu schreiben. „Das ist kein Talent, sondern nur Übung.“

    Auch das sagt wohl etwas aus über die Einstellung des 1,85 Meter großen Spielers, der seinen Abschlag durchschnittlich 279 Meter weit schlägt. Arbeit, Arbeit, Arbeit. Unermüdlich. Das zahlt sich dann auch in Erfolgen aus. Und so hat er es 2015 in eine Reihe mit den Golfgrößen Jack Nicklaus, Phil Mickelson, Tiger Woods und Ryan Moore geschafft, die vor ihm als bislang einzige im gleichen Jahr die amerikanische Collegemeisterschaft und die US-Amateurmeisterschaft gewinnen konnten. Zwei Siege gelangen ihm bisher auf der US-Tour, zuletzt gewann er Anfang Juni das Memorial Turnier in Ohio. Rund 4,5 Millionen Dollar hat er allein in diesem Jahr an Preisgeld verdient und präsentierte kürzlich eine neue Freundin, die durch ihre freizügigen Selfies in sozialen Netzen Aufsehen erregt – es läuft für den Mann mit der Mütze.