London.

Die Zukunft der Raumfahrt liegt im menschenleeren Norden Schottlands, umgeben von Graslandschaften und sanften Hügeln. So jedenfalls will es die britische Weltraumagentur, die die Öffentlichkeit mit einer Ankündigung überrascht: In Schottland soll der erste Weltraumbahnhof auf europäischem Boden entstehen – und Großbritannien auf einen führenden Platz unter den Raumfahrtnationen katapultieren.

Die UK Space Agency schwärmte am Montag von einer neuen Ära der britischen Raumfahrtindustrie. Das Vereinigte Königreich produziere mehr kleine Satelliten als irgendein anderes Land und brauche deshalb einen kostengünstigen Zugang zum Weltraum, sagt Space-Agency-Chef Graham Turnock. Allein in Schottlands größter Stadt Glasgow würden mehr kleine Satelliten hergestellt als in jeder anderen europäischen Stadt. Der Weltraumbahnhof soll auf der Halbinsel A’Mhoine in der schottischen Grafschaft Sutherland entstehen, einer abgelegenen Gegend in den Highlands. Wirtschaftsminister Greg Clark hat für den Hightech-Bau mitten im Nirgendwo 2,5 Millionen Pfund (rund 2,8 Millionen Euro) bereitgestellt. Das Geld stammt aus einem 50-Millionen-Pfund-Topf, den das Königreich für den Griff nach den Sternen bereitgestellt hat. Offenbar meint es die Regierung ernst mit dem bereits seit vier Jahren kursierenden Plan einer All-Offensive: Es gibt schon Überlegungen zu einem zweiten Weltraumbahnhof in der englischen Grafschaft Cornwall.

Private Raumfahrtfirmen werden immer stärker

„Großbritannien soll der erste Ort Europas sein, der Satelliten startet“, fordert Wirtschaftsminister Clark. Allerdings ist das Königreich nicht allein mit seinen Ambitionen. Erst vor wenigen Tagen verkündete der schillernde britische Multiunternehmer Richard Branson, er wolle einen Frachtflughafen in Süditalien zu einem Weltraumbahnhof umbauen. Von dort sollen nicht nur professionelle Astronauten, sondern vor allem Weltraumtouristen abheben, die für einen Ausflug ins All umgerechnet angeblich rund 210.000 Euro zahlen müssen. Branson spricht von mehr als 500 Reservierungen. Die Pläne sind indes wenig belastbar: Branson hat bislang weder ein Datum für den Baubeginn noch für eine Inbetriebnahme bekannt gegeben. Der 67-Jährige ist in der Branche für seine vollmundigen Versprechungen bekannt. Einst hatte er angekündigt, er selbst werde 2013 beim Debütflug seiner Firma ins All dabei sein – der hat bis heute nicht stattgefunden. Sein Raumfahrtunternehmen Virgin Galactic hatte mit einigen Rückschlägen zu kämpfen. Die Raumfähre SpaceShipTwo stürzte 2014 bei einem Testflug über der Mojave-Wüste ab, der Co-Pilot starb, der Pilot rettete sich schwer verletzt per Fallschirm.

Dennoch steht die Raumfahrt vor einem Umbruch. Investoren wie Branson bauen Firmen auf, die den großen staatlichen Raumfahrtorganisationen Konkurrenz machen sollen. Die Europäische Weltraumagentur Esa betreibt einen Weltraumbahnhof in Französisch-Guayana, die Nasa startet von Florida aus, die Russen vom kasachischen Baikonur. Branson ließ im US-Staat New Mexico bereits einen eigenen Weltraumbahnhof errichten, der jedoch noch nicht ausgelastet ist. Nächstes Jahr sollen dort erste Fähren abheben und Reisende in 100 Kilometer Höhe transportieren. Laut „Welt“ gehen Analysten von Goldman Sachs davon aus, dass der jährliche Umsatz auf dem Weltraummarkt von derzeit rund 350 Milliarden Dollar bis zum Jahr 2040 auf mehr als eine Billion Dollar steigen wird.

Davon soll nach dem Willen der britischen Regierung auch Schottland profitieren. Sie verspricht den Menschen auf A’Mhoine viele Arbeitsplätze, die rund um den Weltraumbahnhof entstünden. Und Richard Branson hat bereits sein Interesse bekundet, auch von Großbritannien aus ins All zu starten – eines Tages.