Pha Mee.

Der 64-jährige Ni Wat sitzt auf seiner Terrasse und blickt auf den Urwald des 1800 Meter hohen Nang Non. Die „Liegende Dame“, so der Name auf Deutsch, versteckt sich wieder einmal zur Hälfte in regenschweren Wolken. Der Eingang zur Tham-Luang-Höhle, in der seit dem 23. Juni zwölf Jungen im Alter von 11 bis 16 Jahren und ihr 25-jähriger Trainer eingeschlossen waren, liegt auf der abgewandten Seite. Aber der Kaffeefarmer hat sein Café auf 700 Meter Höhe mit Ausblick bis zur Stadt Mae Sai und der Grenze zu Myanmar im Rücken seit zwei Wochen voll in den Dienst der Helfer gestellt, die versuchen, das Leben der Kinder und ihres Betreuers zu retten.

Nach dem Erfolg vom Sonntag, als vier Jungen gerettet werden konnten, hat sich die Stimmung deutlich gebessert. Als Provinzgouverneur ­Narongsak Osottanakorn am Montag den Beginn der zweiten Rettungsaktion bekannt gibt, sagt er: „In ein paar Stunden werden wir gute Nachrichten bekommen.“ Gegen 16.25 Uhr Ortszeit kommt tatsächlich die Information, dass ein fünfter Junge gerettet ist. Anschließend können noch drei weitere Jungen die Höhle verlassen.

Viele Freiwillige helfen rund um die Höhle

Während in der Tham-Luang-Höhle 50 ausländische Taucher und 40 einheimische Kollegen die riskante Rettung wagen, schuften auf den steilen Abhängen rund um Pha Mee rund 80 Freiwillige in schwüler Hitze und strömendem Regen in den Schluchten und Ecken mitten im Urwald. „Wir packen täglich rund 80 bis 90 Sandsäcke in Nischen und Löcher und verlegen Rohre, damit das Regenwasser nicht in die Höhle, sondern woanders abfließt“, sagt der 53-jährige Tawachai. Wenn der von Kopf bis Fuß mit Tätowierungen überdeckte Ambulanzfahrer aus Bangkok gerade nicht damit beschäftigt ist, kilometerlange blaue Plastikrohre durch den immergrünen Urwald zu verlegen, fegt er den Hof seines Gastgebers Ni Wat sauber. Er zeigt auf seinem Mobiltelefon Aufnahmen von seinen Männern, die bis zur Hüfte in reißenden Sturzbächen stehen.

„Ich will gar nicht wissen, was das alles kostet“, sagt der Kaffeefarmer Ni Wat und freut sich über die massive Aufmerksamkeit und Hilfe, die das Drama um die Rettung der „13 von Tham Luang“ – wie sie mittlerweile in Thailand genannt werden – verursacht hat. „Ich habe anfangs gedacht, wir müssten den Kindern allein helfen, und habe mit etwas Unterstützung aus Chiang Rai gerechnet. Aber nicht mit der ganzen Welt.“

Sorge um Gesundheitszustand

Vor dem Eingang stehen unterdessen Krankenwagen und Hubschrauber bereit, um die nächste Gruppe, die aus der Höhle befreit werden kann, möglichst schnell ins Krankenhaus bringen zu können. Die Ärzte fürchten, dass die geschwächten Kinder und ihr bis auf die Knochen abgemagerter 25-jähriger Trainer sich neben Denguefieber, Unterkühlung oder Lungenentzündung auch das bei Mangelernährung aufkommende Refeeding-Syndrom zugezogen haben könnten – auch wenn es laut Behörden den am Sonntag Geretteten „verhältnismäßig gut“ gehe. Sie befinden sich noch in der Klinik.

Auf Wunsch der zwei britischen Taucher John Volanthen und Rick Stanton wurde eigens der australische Arzt Richard Harris eingeflogen. Der erfahrene Höhlentaucher gilt als medizinische Koryphäe für Notfälle wie Tham Luang. Er tauchte in die enge Höhle und begutachtete die Kinder und ihren Trainer. Vor allem aber fürchten die Retter, dass die noch in der Höhle verbliebenen Jungen zu schwach sind, um die gefährliche Rettung über sich ergehen lassen zu können.

Was die langen Tage in der Dunkelheit bedeuten, verrät dieses Detail: Alle Geretteten kamen mit Augenbinden ans Tageslicht, damit die Augen den abrupten Wechsel überstehen.