Sprachforscher warnen vor zu großer verbaler Kumpelei. Kinder, die ihre Lehrer siezen, sind besser in der Schule

    Unsere Vorfahren, die ollen Germanen, hätten mit der Frage „Darf ich dir das Sie anbieten?“ herzlich wenig anfangen können. Denn bis ins achte und neunte Jahrhundert hinein gab es anredetechnisch keine Alternative, also kein Sie, nur ein kumpelhaftes Du. Klingt heute wie Schwedisch für Anfänger oder Willkommen in dem Möbelhaus, das überwiegend Bausätze im Programm hat und seine Kunden vielleicht deshalb duzt, weil das auf Baustellen nun mal üblich ist. „Reichen Sie mir mal den Imbus“, klingt eben genauso dämlich wie „Sie können mich mal.“

    Gesprochene Grundregel: Je geringer die Distanz zum Gegenüber, desto mehr wird rumgeduzt. Deshalb spricht eine große Versicherung ihre Kunden online zwar mit Sie an, die jüngere Zielgruppe bei Twitter & Co. dagegen mit Du. Wird das Sie in unserem Alltag immer mehr durch Du ersetzt?

    Das könnte fatale Folgen haben, warnen Sprachforscher der Universität Siegen. Nach ihrer Erkenntnis erreichen Kinder, die ihre Lehrer siezen, bessere Leistungen in der Schule. Untersucht wurde das Verhalten an 600 Grundschulen. Wolfgang Steinig, Studienleiter und Germanist, empfiehlt vor allem Kindern aus bildungsfernen Schichten, frühzeitig das Siezen zu lernen. Ihr Bildungserfolg wäre damit größer, vermutlich weil sie die Lehrkräfte stärker akzeptierten.

    Selbst im Duzland Schweden, das vor gut 50 Jahren das Du landesweit bis hinauf zum Regierungschef propagierte, gibt es inzwischen eine Rückbesinnung auf das distanziertere Sie. Junge Leute in Läden und Lokalen sprechen Kunden immer häufiger mit „Sie“ an. Sogar ohne vorher zu fragen: „Darf ich dir das Sie anbieten?“