Berlin/Brüssel. EU-Gipfel einigt sich auf Verschärfung der Flüchtlingspolitik. Daniel Günther mahnt CSU: Schluss mit Streit!

    Erfolg für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Getrieben von der deutschen Regierungskrise hat sich der EU-Gipfel in Brüssel auf eine Verschärfung der Asylpolitik geeinigt. Danach soll es geschlossene Aufnahmelager für Bootsflüchtlinge in Europa und wenn möglich auch solche in Nordafrika geben. Zudem sind eine stärkere Abriegelung der EU-Außengrenze und eine Aufstockung der Grenzschutzagentur Frontex geplant.

    Allerdings schwelt der Streit mit Bundesinnenminister Horst Seehofer und seiner CSU vorerst weiter. Er wollte sich am Freitag nicht zu den Beschlüssen äußern, sondern sie erst „sorgfältig prüfen“. Seehofer hatte damit gedroht, Flüchtlinge an der Grenze im Alleingang abzuweisen, wenn sie in einem anderen EU-Land registriert wurden. Merkel will dies mit ihrer Richtlinienkompetenz verhindern. Am Wochenende wird mit einer Entscheidung gerechnet. Lenkt die CSU nicht ein, wären die Regierung und Merkels Kanzlerschaft in Gefahr.

    Der Durchbruch auf dem Gipfel kam im Morgengrauen. Um 4.34 Uhr twitterte EU-Ratspräsident Donald Tusk, es gebe eine Einigung. Merkel sprach von einer „guten Botschaft“. Sie bezog sich dabei auch auf die sogenannte „Sekundär-Migration“ von Flüchtlingen, die von einem EU-Land ins andere reisen. Auch hier müsse „für Ordnung und Steuerung gesorgt“ werden, so die Kanzlerin. „Kein Asylbewerber hat das Recht, das Land auszusuchen, in dem es ein Asylverfahren gibt.“ Mit Griechenland und Spanien vereinbarte sie, dass diese Länder bei ihnen registrierte Migranten von der deutschen Grenze zurückzunehmen. Italien will dies nicht.

    Die beschlossenen EU-Maßnahmen sowie die getroffenen bilateralen Vereinbarungen seien „mehr als wirkungsgleich“ zu den von der CSU geforderten Zurückweisungen an der deutschen Grenze, sagte Merkel und griff damit eine Formulierung Seehofers auf. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz warnte, ein Alleingang Deutschlands bei der Zurückweisung von Flüchtlingen, wie sie Seehofer plant, würde einen „Domino-Effekt“ auslösen. Österreich werde dann dieselben Maßnahmen ergreifen, auch an der deutschen Grenze.

    Viele CDU-Politiker riefen die CSU auf, den Streit nun beizulegen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte dem Abendblatt, die Gipfel-Resultate seien dafür absolut ausreichend. Er forderte Seehofer auf, endlich seinen Asyl-„Masterplan“ vorzustellen. Es sei „ein Unding“, sich über einen Plan zu streiten, „den kein Mensch kennt. Ich bin nicht bereit, Politik zu machen auf diesem Niveau.“

    Hilfsverbände und Kirchen kritisierten die EU-Beschlüsse scharf. Der Kontinent schotte sich gegen Hilfsbedürftige ab, hieß es. Die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann sagte: „Europa fängt an, seine Werte zu verraten.“

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