Acht Wochen lang lädt das Schleswig-Holstein Musik Festival zu Konzerten in Sälen, Kirchen oder auch Kuhställen. Das Ländliche ist Programm

    Samtweicher, warmer Ton, berückende Piani, mühelose Beweglichkeit, ein Tonumfang wie eine Operndiva – es gibt viele Gründe, die Klarinette zu lieben. Johannes Brahms verfiel dem von ihm so bezeichneten „Fräulein“ noch auf seine alten Tage. Sein Mentor Robert Schumann schrieb nur einige wenige, aber kostbare Werke. Die wird Sabine Meyer in den kommenden Wochen natürlich zu Gehör bringen. Die Komponistenretrospektive hat das Schleswig-Holstein Musik Festival dieses Jahr Schumann gewidmet, und Meyer, Professorin an der Lübecker Musikhochschule und seit Jahrzehnten ein Weltstar ihres Fachs, ist Porträtkünstlerin. Vor der eigenen Haustür sozusagen.

    Die Schnittmenge von Schumann und Klarinette ist klein? Stimmt – sollte aber niemanden stören. Natürlich spielt Meyer Schumanns berühmte „Märchenbilder“, doch leuchtet sie darüber hinaus in alle nur erdenklichen Winkel des Klarinettenrepertoires. Am 9.8. rahmt sie Schumann mit Werken von Mozart einerseits und andererseits von György Kurtág, einem der Großen der heutigen Musik (Itzehoe). Unter dem Motto „Paris Mécanique“ begibt sie sich mit drei weiteren Klarinettisten und dem Drehorgelspieler Pierre Charial in die 20er-Jahre, in denen die französische Hauptstadt nach den Schrecknissen des Ersten Weltkriegs wieder hemmungslos der Lebensfreude frönte (13.7., Husum). Und „Unter Freunden“ spielt sie am 24. Juli in Norderstedt die unübertroffene Gran Partita von Mozart, serviert eine Taschen-Kammerfassung von Mozarts „Figaro“ und holt mit dem Japaner Toshio Hosokawa die Gegenwart ins Boot.

    Ähnlich tief lotet der Schumann-Schwerpunkt. Der Geiger Gidon Kremer und seine Elitetruppe Kremerata Baltica verbinden Musik des Romantikers mit Videoprojektionen von Sandro Kancheli (14.8., Norderstedt; 15.8., Husum). Der Schauspieler Matthias Brandt wirft einen Blick in die Krankenakte des Komponisten, der sein Leben in einer psychiatrischen Anstalt beschloss (4.8., Kiel; 5.8., Timmendorfer Strand), und der Pianist Stefan Vladar stellt den ungestümen „Carnaval“ den rätselhaften „Gesängen der Frühe“ gegenüber (9.8., Ahrensburg).

    Und sonst? Bietet der schleswig-holsteinische Sommer Konzerte in bewährter Manier, flächendeckend, in Gutshöfen, Kirchen und manchmal auch in bürgerlichen Konzertsälen (ja, sogar in der Elbphilharmonie, aber begraben Sie Ihre Hoffnungen, die ist natürlich längst ausverkauft) und inhaltlich denkbar abwechslungsreich. Es gibt feinste Klavier-Soloabende und eine „Night Of The Drums“ mit Elbtonal Percussion (24.8., Sonderburg). Die Popsängerin Judith Holofernes gastiert am 17.7. in Flensburg und am 18.7. in Lübeck. Der Jazzpianist Brad Mehldau kommt mit seinem Trio nach Lübeck in die MuK (3.7.). Und die Geigerin Janine Jansen gratuliert dem Dirigenten und Komponisten Leonard Bernstein, der am 25. August 100 Jahre alt geworden wäre, mit Konzerten im Michel (24.8.) und in der Lübecker MuK (25.8.).

    Bernstein war es, der das Festival in seinen Anfängen mitgeprägt hat. Von ihm, dem amerikanischen Kosmopoliten, stammt der Ausruf: „I felt in love with Schleswig-Holstein!“ Am nächsten kommt der Besucher dem ursprünglichen Charakter des Festivals womöglich bei den „Musikfesten auf dem Lande“. Da steigt auf fünf Gutshöfen jeweils ein Wochenende mit mehreren kurzen Konzerten und eigenem Schwerpunkt. Picknicken auf der Wiese und Spaziergänge durch wogende Felder komplettieren den Charme. Und das Wetter? Kann das jemals schlecht sein? Hey, wir sind in Norddeutschland! Wie war das gleich mit der unpassenden Kleidung?

    Schleswig-Holstein Musik Festival 30.6. bis 26.8. Kartentelefon 0431/23 70 70; Infos unter www.shmf.de