Die Komödie „Die Wunderübung“ ist dank der Schauspieler eine gelungene Verfilmung eines mittelmäßigen Theaterstücks

    Paare sind anstrengend. Nicht nur für die Umgebung, die mit ansehen muss, wie aggressiv zwei Menschen miteinander umgehen, die doch eigentlich eine liebende Einheit bilden sollen. Der österreichische Regisseur Michael Kreihsl lässt seine Verfilmung der „Wunderübung“, des Dreipersonenstücks von Daniel Glattauer, mit Aufnahmen aus einer U-Bahn beginnen. Lauter Paare fallen ins Auge, die miteinander lachen, sich küssen, aufein­ander bezogen sind.

    Wie zufällig sucht sich die Kamera dann einen Mann (Devid Striesow) und eine Frau (Aglaia Szyszkowitz) heraus, deren Blicke auf solch Zweisamkeitsglück fallen. Man würde nie auf die Idee kommen, dass auch sie zusammengehören. Aber dann laufen sie Seite an Seite eine Straße entlang und betreten ein Haus.

    Striesow und Szyszkowitz spielen das Ehepaar Valentin und Joana Dorek, das hier seine erste Paartherapie-Sitzung antritt. Warum noch Therapie, wenn zwei sich so spinnefeind sind? In der Praxis des von Erwin Steinhauer verkörperten Therapeuten angekommen, nehmen die beiden in getrennten Sesseln Platz, als ob sie erwarten, dass er ihnen eine Antwort darauf gibt, warum sie hier sind. „Herr Magister, wir wären dann so weit“, versucht Striesows Valentin die Dinge ins Rollen zu bringen. Seine Frau Joana verdreht sogleich die Augen und beschuldigt ihn, das Ganze nur schnell erledigen zu wollen. Der Therapeut versucht mit konventionellen Eröffnungsfragen – Was erhoffen Sie sich von der Sitzung? – das Gespräch in neutraleres Gefilde zu verlagern.

    Ohne Erfolg. Joana und Valentin, das zeigt jedes weitere Hin und Her, sind hoffnungslos verbissen ineinander, wissen ständig, was der jeweils andere wirklich denkt und meint, und zwar in der am wenigsten wohlmeinenden Form. Der Therapeut scheint auf verlorenem Posten. Anders als man zunächst denken mag, bildet so ein Therapie-Setting eine ideale Ausgangssituation für großes Schauspielerkino. Keine vordergründige Action lenkt ab von dem, was jemand wie Devid Striesow besonders gut kann: hinter trockenen Dialogzeilen eine komplexe Persönlichkeit sichtbar werden zu lassen. Sein Valentin, so wird im Verlauf der 90 Minuten des Films deutlich, ist keineswegs so eingefahren in seiner Männlichkeitsattitüde, wie es zunächst den Anschein hat.

    Der Film folgt einer Theatervorlage, wobei die Intimität des Kamerablicks es erlaubt, auf die farce-artigen Aspekte des Stücks zu verzichten. Es wäre viel zu leicht, aus der frustrierten Ehefrau, ihrem verbissenen Mann und deren stereotypen Gestreite eine Karikatur zu machen. Zwar bewegen sich die vom Autor Glattauer angelegten Konflikte in den vertrauten Bahnen des modernen Psycho-Geplappers, aber Striesow und Szyszkowitz geben sich alle Mühe, hinter den Sprechblasen dreidimensionale Charaktere kenntlich zu machen.

    Der schwächste Part des Stücks ist der Therapeut (Erwin Steinhauer), auch weil seine mehrfachen Versuche, Joana und Valentin durch allerlei „Übungen“ aus ihren festungsgleichen Haltungen heraus zu lösen, notwendig lächerlich wirken. Sich gegenübersitzen, die Augen schließen und bessere Zeiten zu imaginieren, mag noch angehen. Aber Handpuppen überstreifen und in künstlichen Stimmen den anderen als sich selbst anzusprechen? Fast scheint es, als ob der Film an diesen Stellen selbst nicht weiß, wie ernst er diese Therapieansätze nehmen soll. Die im Titel angesprochene „Wunderübung“ übrigens wird sich als etwas ganz anderes herausstellen.

    Was man in diesem Film vermisst, ist eine wirkliche Individualität der Figuren. Glattauer hat Joana und Valentin mehr als Beispiele denn als Personen mit einzigartigen Eigenheiten geschrieben. Dank seiner Hauptdarsteller ist „Die Wunderübung“ eine recht gelungene Verfilmung eines leider nur mittelmäßigen Theaterstücks.

    „Die Wunderübung“ AU 2018, 90 Min., o.A., R: Michael Kreihsl, D: Devid Striesow, Aglaia Szyszkowitz, Erwin Steinhauer, täglich im Abaton, Passage, Zeise; http://wunderuebung-derfilm.de