Berlin.

Bei Kopfschmerzen, wenn der Rücken ziept oder sich die Periode ankündigt – frei verkäufliche Schmerzmittel gelten als schnelle Helfer in der Not. 91 Millionen Packungen kauften die Deutschen allein 2017, wie die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) mitteilt. Ab welcher Dosierung oder ab welchem Zeitpunkt die Mittel der Gesundheit schaden können, wissen dabei nur wenige. Oft werden die Risiken unterschätzt.

Künftig wird auf der Verpackung von Präparaten mit ­Wirkstoffen wie Acetylsalicylsäure (ASS), Diclofenac, Ibuprofen oder Paracetamol deswegen ein Warnhinweis zu lesen sein: „Bei Schmerzen oder Fieber ohne ärztlichen Rat nicht länger anwenden als in der Packungsbeilage vorgeschrieben!“ Die Regelung ist Teil der sogenannten Analgetika-Warnhinweis-Verordnung, für die der Bundesrat jetzt grünes Licht gegeben hat.

Viele rezeptfreie Schmerzmittel wie ASS, Ibuprofen oder Diclofenac zählen zur Gruppe der nicht-steroidalen, antientzündlichen Antirheumatika, kurz NSAR. Sie hemmen die Ausschüttung bestimmter Gewebshormone – der Pros­taglandine –, die im Körper an der Entstehung von Schmerzen beteiligt sind. Doch Prostaglandine regulieren auch Teile der Durchblutung und schützen die Magenschleimhaut. Werden die Mittel zu lange oder durcheinander genommen, erhöht sich das Risiko für Magengeschwüre, Schlaganfälle oder Herzinfarkte merklich. Von Paracetamol, das nicht zu den NSAR zählt, ist bekannt, dass es bei hoher Dosierung schwere Leberschäden verursachen kann. Schon acht rezeptfrei erhältliche 500-Gramm-Tabletten können zu solch einer Überdosierung führen. Risiken wie diese soll die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eingebrachte Verordnung minimieren. Ab Inkrafttreten haben Hersteller nun zwei Jahre Zeit, die Warnung auf ihre Produkte zu drucken. Apotheken dürfen noch alle Bestände bis zu deren Verfallsdatum verkaufen. Ob der Hinweis mehr Verbraucher dazu animieren wird, die Packungsbeilage der Medikamente gründlicher zu lesen, ist umstritten. „Die Bundesapothekerkammer hat in der Vergangenheit wiederholt auf das Risikopotenzial rezeptfreier Schmerzmittel hingewiesen. Der neue Hinweis auf jeder Packung kann dazu beitragen, das Risikobewusstsein zu verbessern“, sagt Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer.

Andere Experten sind skeptisch. „Meines Wissens gibt es keine empirischen Daten, etwa aus anderen Ländern, die belegen, dass solche Warnhinweise Wirkung zeigen. Der Effekt dürfte sehr begrenzt sein“, erklärt Professor Martin Smollich, Mitglied der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Die Idee, das Risiko einer unbedachten Einnahme frei verkäuflicher Schmerzmittel zu reduzieren, sei grundsätzlich sinnvoll. „Die missbräuchliche Anwendung von Ibuprofen und anderen Mitteln ist beispielsweise häufiger als die von Opioiden“, ergänzt der Pharmakologe. Andere Maßnahmen hätten sich dabei aber als wirkungsvoller erwiesen: „Eine Verschreibungspflicht für einige der Mittel etwa, aber auch die Begrenzung der Packungsgrößen oder eine Regulierung über den Preis, wenn ein Mittel auf Rezept also günstiger ist, als wenn es der Patient ohne ärztliche Beratung kauft“, zählt Smollich auf.