Von einem protokollarischen Skandal in der Bremer Bürgerschaft und der Frage: Wie hautnah darf Politik sein?

    Es war ein politisch-protokollarisches Erdbeben, wie es die Hansestadt Bremen eher selten erlebt: An einem der ganz heißen Tage Ende Mai hatte die Grünen-Abgeordnete Kai Wargalla ihre Schuhe ausgezogen und lief barfuß durch den Plenarsaal der Bürgerschaft. Linken-Politiker Peter Erlanson war in kurzer Hose und Flipflops unterwegs. Und die FDP-Frau Lencke Steiner soll sogar „eine sehr kurze Hose“ getragen haben. Das brachte die Lordsiegelbewahrer der parlamentarischen Hausordnung auf die Palme. Es drohte mal wieder der Untergang des Abendlands. Die Bürgerschaftskanzlei sah einen Zusammenhang zwischen Kleidungsstil, Vorbildfunktion und Politikverdrossenheit. Umgehend wurde ein Antrag zur Erweiterung der Hausordnung gestellt. Mit einem Zusatz zu Paragraf 9 sollte geregelt werden, dass die Achtung der Würde des Hauses auch „durch das Tragen angemessener Kleidung sowie den respektvollen Umgang miteinander“ Ausdruck finden soll.

    Auweia! Hatten die Bremer Abgeordneten das mit der Abstimmung mit den Füßen irgendwie falsch verstanden? Und überhaupt: Hatten sie sonst keine Sorgen?

    Jetzt aber ist klar: Die Hausordnung bleibt letztlich, wie sie ist. Die Begründung kann man sich auf der Zunge zergehen lassen: Es fehle an „Sanktionsmöglichkeiten“, so die Parlamentarier. Niemand solle des Saales verwiesen werden, aber bei zu viel Kleidungslässigkeit droht nun „ein ernstes Gespräch unter vier Augen“. Es soll jetzt ein Ehren- und Verhaltenskodex erarbeitet werden. Die Grünen sagten dazu: „Ein Rechtspopulist im Anzug“ füge der Demokratie größeren Schaden zu als eine Grüne ohne Schuhe.