Die Romanadaption „Vom Ende einer Geschichte“ scheitert trotz großer Schauspieler

    Die eigene Vergangenheit stellen wir uns meist als etwas Unveränderliches vor. Was aber, wenn die Vergangenheit tatsächlich eher einer Geschichte gleicht, die wir uns selbst erzählen, in immer neuen Versionen, die wir an die Bedürfnisse der Ge­genwart anpassen? Um solche Fragen geht es in Julian Barnes’ „Vom Ende einer Geschichte“.

    Es gehört zu jenen Büchern, die einen nicht mehr loslassen, weil es am Ende keine Auflösung gibt: Tony, der mit über 60 durch eine Erbschaft dazu gebracht wird, Ereignisse aus seiner Studentenzeit zu überdenken, gewinnt auch am Schluss keine Klarheit darüber, was wirklich war. Wie aber adaptiert man eine Geschichte für die Leinwand, von der man gar nicht genau weiß, wie sie sich zugetragen hat?

    Eine indirekte Antwort gibt der Film mit seiner Besetzung: Jim Broadbent und Charlotte Rampling signalisieren, dass erfahrene Schauspielkunst vermitteln soll, was das Drehbuch in Andeutungen belässt. Außerdem hatte der indische Regisseur Ritesh Batra in seinem Debütfilm „The Lunchbox“ gezeigt, dass es manchmal das Beste ist, den Darstellern viel Raum zu geben, um die Gefühlswelt ihrer Figuren in kleinen, alltäglichen Abläufen zu erzählen. So konzentriert sich der Film anfangs auf Broadbents Tony und sein bequemes, wenn auch reduziertes Seniorenleben. Er wacht auf, kurz bevor der Wecker klingelt, trinkt seinen Tee und liest Zeitung, schließt seinen Kamera­laden auf, als sei er auf keinerlei Umsatz angewiesen. Dazwischen wird er von seiner Ex-Frau (Harriet Walter) ermahnt, dass er der hochschwangeren Tochter (Michelle Dockery) helfen solle.

    In diese Beschaulichkeit eines „mittelglücklichen“ Lebens dringt der Brief einer Kanzlei, die Tony ankündigt, er habe geerbt. Zu seinem Erstaunen handelt es sich bei der Erblasserin um die Mutter seiner ersten Liebe Veronica, mit der er in seinen College-Jahren zusammen war. Bei dem Erbe handelt es sich um ein Tagebuch. Tony ist aus seiner Lethargie gerissen. Zum ersten Mal beginnt er, seiner Ex-Frau von jener Zeit mit Veronica zu erzählen. Und dann versucht er nach all den Jahren, Veronica wiederzutreffen, die ihn erst hinhält und dann nur bruchstückweise darüber ins Bild setzt, dass sie mit ihm eigentlich nichts zu tun haben will.

    An manchen Stellen sieht man den alten Tony durch seine Jugenderinnerungen streifen, als wären sie eine begehbare Installation. Anders als die Romanvorlage konzentriert sich der Film größtenteils auf die Gegenwart, in der Tony zunehmend den Kokon seiner Selbstgenügsamkeit durchbricht und sich seinen Nächsten zu öffnen beginnt. Katalysator dafür ist aber die Frustration über das eigene Nichtbegreifen.

    Das alles ist wunderbar fein gespielt, bleibt aber im sicheren Rahmen einer gepflegten BBC-Produktion. Was an Barnes’ Buch so aufregend und verstörend war, dafür findet der Film keine Darstellung. Der versöhnliche Schluss erscheint sogar als krasse Fehlinterpretation.

    „Vom Ende einer Geschichte“ GB 2017, 108 Min., o. A., R: Ritesh Batra, D: Jim Broadbent, Charlotte Rampling, täglich im Abaton; www.wildbunch-germany.de/movie/vom-ende-einer-geschichte