Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts, im Interview mit der Regionalredaktion Harburg & Umland

    Er ist in Harburg aufgewachsen, seine journalistischen Wurzeln liegen hier im Stadtteil. Seit 2011 ist Lars Haider, Jahrgang 1969, Chefredakteur des Hamburger Abendblatts. Ein Gespräch über Lokaljournalismus, die Zukunft der Branche – und über Harburg.

    Martin Baron, Chefredakteur der „Washington Post“, arbeitet nach folgender Devise: Mobil oder gar nicht. Zitat: „Wir produzieren nichts mehr für unsere Plattform, wenn es nicht auch im mobilen Netz funktioniert.“ Wie lautet Ihre Devise, Herr Haider?

    Lars Haider: Mit der Heimat im Herzen die Welt umfassen.

    Die technologischen Veränderungen sind rasant. Die technologische Veränderung ist rasant. Wo sehen Sie die gedruckte Zeitung in 20 Jahren?

    Darf ich als Antwort Bill Gates zitieren? Der hat prophezeit, dass die letzte gedruckte Zeitung in zehn Jahren erscheint. Gesagt hat Gates das allerdings 1990…

    Dennoch nimmt die Digitalisierung immer mehr zu. Wie muss sich der Journalismus verändern?

    Journalismus muss alle Kanäle bedienen, auf denen die Leser unterwegs sind: Das ist die gedruckte Zeitung genauso wie das Smartphone oder der Laptop.

    Gerät der herkömmliche Journalismus aus der Mode?

    Nein, ganz im Gegenteil. In Zeiten von Fake-News werden Nachrichten mit einem Absender, der für die Richtigkeit Verantwortung übernimmt, noch wichtiger, als sie es in der Vergangenheit waren.

    Was muss man als Journalist künftig tun und können, um gelesen und wahrgenommen zu werden?

    Geschichten erzählen, die wirklich etwas mit dem Leben der Leser zu tun haben.

    Als Plattform der Zukunft gilt vor allem das Smartphone. Wie kann ein erfolgreiches Abendblatt für das Smartphone aussehen?

    Das Smartphone ist genauso eine Plattform wie die Zeitung auf Papier, und andere werden in Zukunft dazukommen. Entscheidend für eine Zeitung wie das Abendblatt ist, sich auf Inhalte und nicht auf deren technischen Verbreitung zu konzentrieren. Am Ende entscheidet über die Zukunft von Zeitungen, was drin steht – unabhängig davon, wo man das liest.

    Inwiefern dürfen unsere Leser aus Harburg und Umland online künftig mehr erwarten als reinen Lesestoff – sprich in den Bereichen Video, Audio und Social Media?

    Ob in Harburg Stadt und Land oder anderswo – die Leser werden all das bekommen, was sie bekommen wollen.

    Guter Journalismus kostet Geld. Bekanntlich schrumpfen die finanziellen Ressourcen. Wie lange leisten Sie sich noch eine Regionalredaktion wie die in Harburg?

    Die Regionalredaktion in Harburg hat unter der beschriebenen Entwicklung bisher nicht gelitten, im Gegenteil: Dort arbeiten heute mehr Redakteure als vor 20 Jahren, und ihre Zahl wird auch in den kommenden Jahren eher steigen als fallen. Der 45. Geburtstag ist sowieso eine gute Gelegenheit, auf ein Harburger Privileg hinzuweisen: Kein anderer Hamburger Bezirk hat eine eigene Redaktion, kein anderer Hamburger Bezirk eigene Seiten im Abendblatt.

    Warum setzen Sie auf die Regionalausgaben? Welche Rolle spielt die lokale Berichterstattung?

    Die lokale Berichterstattung ist das Herz des Hamburger Abendblatts, siehe oben. Sie soll diese Zeitung einzigartig machen, in Hamburg, aber eben auch darüber hinaus. Die Kreise und Städte um Hamburg herum werden für uns immer wichtiger, weil dort immer mehr Menschen hinziehen, die eine enge Verbindung zur Hansestadt haben.

    Kleinere Zeitungsverlage, die nur lokal auftreten, werden es in Zukunft schwer haben. Nachrichtenorganisationen, die national und international aufgestellt sind, haben mehr Möglichkeiten. Eine besorgniserregende Entwicklung.

    Ich glaube, die These stimmt nicht. Überregionale Nachrichten gibt es im Internet überall und kostenlos, sie sind eine schwieriges Geschäftsmodell. Wer auf lokale Nachrichten spezialisiert ist, so wie wir beim Hamburger Abendblatt, hat es einfacher.

    Wie sehen Ihrer Ansicht nach journalistische Inhalte des Abendblatts und die Angebotslandschaft in fünf Jahren aus?

    Nicht viel anders als heute. Der Kern der journalistischen Arbeit verändert sich nämlich nicht: Es geht darum, Missstände aufzuzeigen, Regierungen und Politiker zu kontrollieren, den Lesern ihr Leben zu erleichtern, sie zu unterhalten. Das wird auch in 100 Jahren noch so sein.

    Für das Hamburger Abendblatt arbeiten rund 220 festangestellte Redakteure, dazu kommen viele freie Mitarbeiter, Agenturen, etc. Gedruckt wird die Zeitung wie in der Vergangenheit in Ahrensburg.

    Wie wird man Chefredakteur?

    Das müsst Ihr die fragen, die Chefredakteure einstellen. Grundsätzlich glaube ich, dass man nur dann ein guter Chefredakteur sein kann, wenn man eine sehr große Leidenschaft für die Zeitung hat, bei der man arbeitet. Ich kann mir zum Beispiel einen Tag ohne das Hamburger Abendblatt schwer vorstellen.

    Als gebürtiger Harburger, dessen journalistische Wurzeln hier im Stadtteil liegen, haben Sie einen besonderen Bezug zu Harburg. Was erinnern Sie aus dem Harburg Ihrer Kindheit, wie erleben Sie es heute – und wo sehen Sie den Stadtteil in der Zukunft?

    Ich habe 27 Jahre in Harburg gelebt, wo soll ich da anfangen: Meine Erinnerung an meine Kindheit sind durchweg positiv, wobei ich Harburg immer stärker als eigenständige Stadt und nicht als Hamburger Bezirk begriffen habe. Heute erlebe ich Harburg wie Wandsbek oder Altona: Es gibt schöne und nicht so schöne Viertel. Und es gibtvor allem ein Umland, das immer attraktiver wird.