Belesen, akribisch, weltoffen: Der Wirtschaftsredakteur Jürgen Nowak übernahm 1990 die Leitung der Harburger Redaktion und blieb elf Jahre

    Wenn Jürgen Nowak im Regal einer Drogerie stehen würde, er wäre ein Universalreinigungsmittel. Überall erfolgsversprechend einsetzbar. Er persönlich drückt es vornehmer aus: „Ich bin ein Generalist.“ Was soviel bedeutet wie „Alleskönner“. Dementsprechend vielfältig sind die beruflichen Stationen, die der heute 75-Jährige durchlaufen hat. Die letzte davon verbrachte er in Harburg. Von 1990 bis 2001 leitete er die Harburger Regionalredaktion.

    Das liegt im wahrsten Sinne des Wortes nahe. Denn Nowak ist Harburger, durch und durch. Sein ganze Leben hat er dort verbracht, kennt den Stadtteil und die Menschen darin wie seine Westentasche. Nie wäre es ihm in den Sinn gekommen, aus dem Harburger Vogelschießen ein einfaches „Schützenfest“ zu machen. Unter seiner Führung entstand die bei Lesern beliebte „Lokalspitze“, sammelte Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider seine ersten journalistischen Erfahrungen und wurde auf dem Schwarzenbergplatz auf Initiative des Hamburger Abendblattes viele Jahre das große Harburger Osterfest gefeiert.

    Geboren wird Jürgen Nowak 1942 in Wilstorf. Nach dem Abitur studiert er an der Hamburger Uni Romanistik, Anglistik, Geschichte auf Lehramt, wechselt schließlich ganz zum Fach Geschichte. Nebenbei schnuppert er in der Mathematik und der VWL. „Das war quasi ein Studium generale – wie bei Goethe“, sagt er. Im Staatsarchiv Stade schreibt er schließlich seine Dissertation. Er will Archivar werden.

    „Angefangen hat meine berufliche Karriere im Keller eines Hamburger Verlagshaus an der Außenalster“, sagt er, „in einer Zeit, als Informationen und Daten noch mühselig ausgeschnitten, aufgeklebt und in Hängeregister einsortiert wurden.“ Der Vorteil: Nowak muss jeden Artikel lesen, kennt die Nachrichtenlage in der ganzen Welt ebenso gut, wie die Lebenläufe prominenter Persönlichkeiten. Aus seinen Archiven bedient sich die schreibende Zunft, die im ersten Stock des Verlagshauses sitzt. Einer davon ist Dr. Mautner, Journalist und zuständig für Portraits, die er für ausländische Zeitungen schreibt. Nowak verfolgt die Artikel. Und denkt: „Das will ich auch versuchen.“ Aus seinem Archiv sucht er die nötigen Informationen zusammen und schreibt seinen ersten Artikel. Ganz nebenbei überreicht er den Text seinem Kollegen. Mautner ist begeistert. Von da an schreibt Jürgen Nowak regelmäßig Geschichten für den Portraitdienst auf. Seinen Posten als Archivar gibt er ab. Er übernimmt die Leitung des Portraitdienstes, schreibt für den „Dienst aus Deutschland“ und arbeitet mit Spaniern, Franzosen, Chilenen zusammen, die ausländische Pressespiegel für deutsche Zeitungen übersetzen. „Auf diesem Weg habe ich viele Nationalitäten kennengelernt“, sagt er, „aus denen Freundschaften entstanden sind.“

    1979 bewirbt er sich beim Hamburger Abendblatt. Die Wirtschaftsredaktion sucht Verstärkung. „Ich hatte zwar keine Ahnung“, sagt er. „Aber lernen kannst du alles.“ Er betreut die Themen Hafen, Schifffahrt, Flughafen in einer wirtschaftliche schwierigen Zeit, den 1970er-Jahren, begleitet die Beinahe-Pleite der Reederei Hapag-Lloyd, die Schließung der kleinen Werften, den Skandal um die „Neue Heimat“. Bis er merkt, dass er eine neue Aufgabe braucht. 1990 übernimmt er die Redaktion in Harburg.

    „Viele Themen, die uns heute noch begleiten, haben wir aufgegriffen“, sagt er. „Das Sterben inhabergeführter Läden gehört dazu, genauso wie die Diskussion um die Lüneburger Straße.“ Mit Wehmut erinnert er sich an die großen Feste der Harburger Schützengilde auf dem Schwarzenbergplatz, an den Rummelplatz und die vielen Karussells.

    Jürgen Nowak ist Harburg, trotz aller Veränderungen, treu geblieben, lebt in Heimfeld und engagiert sich ehrenamtlich als Reisebegleiter in der Apostelgemeinde Eißendorf. Längst trägt er für seine Recherchen nicht mehr Zeitungsschnipsel zusammen, sondern ist im Internet unterwegs. Dennoch ist er fest davon überzeugt, dass Zeitung und Buch niemals von einer anderen Plattform abgelöst werden: „Der Mensch will etwas Gedrucktes in der Hand haben, wenn er sich informiert. Daran wird sich auch künftig nichts ändern.“