Wer sein Vermögen oder seine Immobilie bereitszu Lebzeiten auf die Nachkommen überträgt, erspart ihnen Steuern – und manchmal Streit

    Nach seinem 60. Geburtstag macht sich Thomas Schramm Gedanken um eine langfristige Erbschaftsplanung. „Es wird höchste Zeit, wenn man noch Freibeträge optimal ausschöpfen und die Steuerbelastung der Erben reduzieren will“, sagt er. Sein Sohn will bauen und hofft auf finanzielle Unterstützung. „Ein guter Anlass, das Thema anzupacken“, findet Schramm.

    Geschenke als vorgezogenes Erbe werden in Deutschland immer beliebter. Schon mehr als jede fünfte Schenkung in Höhe von mindestens 1000 Euro wurde bislang ausdrücklich als vorweggenommene Erbschaft vergeben. Insgesamt geben fast die Hälfte aller Erwachsenen (43 Prozent) in Deutschland ab 18 Jahre an, schon mindestens einmal ein Geschenk im Wert ab 1000 Euro erhalten zu haben. Das geht aus einer Studie der Quirin Privatbank hervor. Am häufigsten ging es dabei um Geld (60 Prozent). Fast jedes sechste Geschenk enthielt aber auch schon Immobilien (15 Prozent). Insgesamt hatte mehr als jede vierte Schenkung in Deutschland (27 Prozent) bereits einen Umfang von mehr als 10.000 Euro. „Schenkungen und Erbschaften haben in Deutschland eine exponentiell wachsende Bedeutung – nach der Erbschaftswelle wird Deutschland nun quasi von einer Schenkungswelle überrollt“, sagt Karl Matthäus Schmidt, Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank.

    Die Hälfte aller Steuern könnte vermieden werden

    Auch Steueraspekte sprechen für Schenkungen. 6,1 Milliarden Euro kassierten die Bundesländer 2017 an Erbschaftssteuer. „Mindestens die Hälfte aller anfallenden Steuern könnte bei mehr Weitsicht und Planung vermieden werden“, so Peter E. Quart, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Erbrechtskunde. Zwar sind Schenkungs- und Erbschaftssteuer gleich. Erleichtert werden Schenkungen durch die hohen Freibeträge von 500.000 Euro für Ehegatten und gesetzliche Lebenspartner und von 400.000 Euro für Kinder. Beschenkt jedes Elternteil die Kinder aus eigenem statt aus gemeinsamem Vermögen, verdoppeln sich die Freibeträge für die Kinder. „Da die Freibeträge alle zehn Jahre erneut in Anspruch genommen werden können, unterstützen sie den langfristigen Vermögensübertrag“, sagt Thomas Krüger, Partner und Rechtsanwalt der Hamburger Sozietät Schomerus & Partner. So lässt sich mit Schenkungen die Erbschaftssteuerbelastung deutlich reduzieren. In diese Schenkungen können auch die Enkelkinder einbezogen werden.

    Beispiel: Der Vater schenkt seinem Sohn 500.000 Euro. Nach Abzug des Freibetrags muss der Sohn 100.000 Euro mit elf Prozent versteuern. Er zahlt 11.000 Euro Schenkungssteuer an das Finanzamt. Schenkt der Vater seinem Filius jedoch zunächst nur 400.000 Euro und nach zehn Jahren weitere 100.000 Euro, ist die gesamte Schenkung steuerfrei. Ausschlaggebend für den persönlichen Freibetrag und den Steuersatz ist das Verwandtschaftsverhältnis. Als Faustformel gilt: Je näher die Verwandtschaft, desto höher ist der persönliche Freibetrag und desto niedriger der Steuersatz, der zwischen sieben und 50 Prozent betragen kann.

    Besondere Privilegien bei der Steuer genießt das selbst genutzte Eigenheim von Ehegatten. Zu Lebzeiten kann es steuerfrei von einem zum anderen Partner übergehen. Der persönliche Freibetrag bleibt erhalten. Ist der Freibetrag ausgeschöpft, kann ein Grundstück im Rahmen des Erbbaurechts an die Kinder übereignet und erst später verschenkt werden. Sie zahlen dann einen jährlichen Erbbauzins an die Eltern. Allerdings darf die spätere Schenkung nicht von vornherein feststehen, sonst können die Finanzbeamten steuerlichen Missbrauch unterstellen.

    Der Übertrag von Immobilien zu Lebzeiten an die künftigen Erben bedeutet nicht zwangsläufig, das Heft des Handelns aus der Hand zu geben. „In Form des Nießbrauchs, also eines Nutzungsrechts an der verschenkten Sache, können sich die Schenkenden absichern“, sagt Krüger. Das selbst genutzte Haus kann schon an die Kinder übertragen werden, die Eltern behalten aber ein lebenslanges Wohnrecht. Schenkungen von Immobilien müssen notariell beurkundet werden. Damit sind auch Nießbrauchsrechte gut abgesichert.

    Eine Rücknahme ist auch bei Undankbarkeit nicht möglich

    Nur in den seltensten Fällen kann der Schenkende sein Geschenk auch ohne vertragliche Vereinbarung innerhalb einer Frist von zehn Jahren zurückverlangen. Undankbares Verhalten des Beschenkten reicht für einen Widerruf nicht aus. Lediglich wenn der Beschenkte seinem Gönner nach dem Leben trachtet oder ihn körperlich angreift, können Geschenke rückgängig gemacht werden. „Schenkungen sollten deshalb gut überlegt sein und nie ohne eine rechtliche und steuerrechtliche Beratung erfolgen“, empfiehlt Isabell Gusinde von der Postbank. Vorbeugen kann man zum Beispiel mit einer „Schenkung unter Auflage“. Dabei muss der Beschenkte für die Übertragung des Vermögens eine Gegenleistung erbringen. Das kann die Übernahme eines Grundschulddarlehens, die Zahlung einer Rente oder das Einräumen eines Wohnrechts sein. Auch die Rücknahme einer Schenkung kann vertraglich geregelt werden. „Beschenkte sollten zudem bedenken, dass das übertragene Vermögen in den zehn Jahren nach der Schenkung nicht komplett gegen Zugriffe gefeit ist“, sagt Gusinde. Kann der Schenkende seinen Lebensunterhalt nicht mehr aus eigener Kraft bestreiten und benötigt staatliche Unterstützung, so kann die Schenkung zum Beispiel einer Immobilie angefochten werden, wenn weniger als zehn Jahre seit der Übertragung vergangen sind.

    Gerade beim Immobilienübertrag bieten sich vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten mit Steuervorteilen an. Zunächst sollten Ehepartner prüfen, ob sie beide Eigentümer der selbst genutzten Immobilie sind. Wenn nicht, kann der eine Partner dem anderen einen Miteigentumsanteil übertragen. Diese Schenkung läuft völlig unabhängig von Freibeträgen für Schenkung oder ­Erbschaft und absolut steuerfrei. Zusätzlicher Effekt: Durch die Schenkung verdoppeln sich die Freibeträge für die Kinder, da beide Partner sie nutzen ­können.