Wiesbaden/Mainz.
Susanna war mit ihren Freunden in die Nachbarstadt gefahren, von Mainz über den Rhein nach Wiesbaden. Doch von dem Stadtbummel kam die 14-Jährige nicht mehr nach Hause. Seit Donnerstag herrscht für Susannas Familie traurige Gewissheit – das seit zwei Wochen vermisste Mädchen ist tot. Polizisten haben die Leiche in einem Gebüsch am Stadtrand von Wiesbaden gefunden, ein DNA-Test hat ihre Identität bestätigt. Der Obduktion zufolge wurde Susanna in der Nacht vom 22. auf den 23. Mai vergewaltigt, anschließend getötet und an anderer Stelle in einem Erdloch vergraben. Der Leitende Oberstaatsanwalt Achim Toma spricht von „Gewalteinwirkung auf den Hals“ als Todesursache, was bedeutet, dass sie erwürgt oder erdrosselt wurde. Toma geht davon aus, dass das Mädchen ermordet wurde, um die Vergewaltigung zu vertuschen.
Als die Behörden am Donnerstag in Wiesbaden die Presse informieren, ist schnell klar: Susannas Tod wird die Debatte um kriminelle Flüchtlinge weiter befeuern. Denn es gibt zunächst zwei Tatverdächtige, beide sind Asylbewerber. Die Polizei nahm einen 35-jährigen Türken fest, ließ ihn am Abend jedoch wieder frei. Der entscheidende Hinweis auf die mutmaßlichen Täter kam von einem 13-jährigen Jungen, der ebenfalls in der Flüchtlingsunterkunft wohnte. Der Zeuge hatten den Ermittlern berichtet, Ali Bashar habe ihm von der Tat persönlich erzählt.
Der Verdacht richtet sich nun auf diesen Mann, einen 20-jährigen Iraker auf der Flucht. Angeblich hat Ali Bashar bereits am Donnerstag vor einer Woche das Land verlassen und ist mit seiner Familie in den Irak gereist. Wiesbadens Polizeipräsident Stefan Müller berichtet von einer überhasteten Abreise. Die aus Vater, Mutter und sechs Kindern bestehende Familie lebte bislang in einer Flüchtlingsunterkunft im Wiesbadener Vorort Erbenheim – jenem Stadtteil, in dem die Leiche gefunden wurde. Bashar seit mit der Familie von Düsseldorf nach Istanbul und von dort weiter nach Erbil geflogen.
Iraker seit Herbst 2015 in Deutschland
Bashar kam im Oktober 2015 nach Deutschland. Er sei mit dem damals großen Flüchtlingszustrom über die Türkei und Griechenland eingereist, so Müller. Zunächst sei die Familie in der hessischen Erstaufnahme in Gießen untergebracht gewesen und im März 2016 nach Wiesbaden gekommen. Bashars Asylantrag wurde am 30. Dezember 2016 abgelehnt. Dass er immer noch im Land war, wirkt schwer verständlich. Er hatte gegen die Ablehnung geklagt, eine Entscheidung steht immer noch aus. Nach ihm wird nun im Irak gefahndet.
Wie kann ein Asylbewerber einfach verschwinden? Müller berichtet, auf den Flugtickets seien andere Namen angegeben gewesen als auf den ebenfalls am Düsseldorfer Flughafen vorgelegten Aufenthaltsgenehmigungen. Die Familie habe aber auch sogenannte Laissez-passer-Dokumente in arabischer Sprache dabei gehabt, die von der irakischen Botschaft ausgestellt worden seien. Bei diesen Passersatzpapieren handelt es sich in der Regel um ein simples DIN-A4-Blatt mit einem Foto und den nötigsten Angaben des Inhabers. Am Flughafen wurden nach bisherigen Erkenntnissen allerdings nur die Passfotos, nicht die Namen abgeglichen. Warum, ist unklar. Die irakische Botschaft in Berlin gab am Donnerstag keine Auskunft darüber, wann sie die Papiere ausgestellt hat. Da das Dokument nur befristet gültig ist, kann die diplomatische Vertretung es erst kurz vor der Abreise herausgegeben haben.
Ebenfalls unklar ist, ob das Verbrechen einen religiösen Hintergrund hat. Susanna war in Mainz Mitglied der Jüdischen Gemeinde. Ein Zufallsopfer war sie jedenfalls nicht. Das Mädchen kannte Bashar aus dessen Wiesbadener Flüchtlingsunterkunft. Dort habe sich die 14-Jährige öfter aufgehalten, so der Polizeipräsident. Einen Bruder des Irakers habe sie näher gekannt.
Ali Bashar war seit seiner Ankunft in Deutschland mehrfach mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Die
Polizei kannte ihn nicht nur deshalb, weil er im März eine Polizistin angerempelt und um sich gespuckt haben soll und er mutmaßlich im April mit einem Mittäter einen Mann ausgeraubt hat: Er war verdächtig, ein elfjähriges Mädchen in seiner Flüchtlingsunterkunft vergewaltigt zu haben, so Müller. Die Hinweise hätten sich aber nicht erhärtet, sagt der Polizeipräsident. Er sei daher nicht inhaftiert worden.