Washington.

Kraulen. Trinken. Essen. Schlafen. Kraulen. Und dabei ja nicht den Verstand verlieren. Mehr hat Ben Lecomte in den kommenden Monaten nicht zu tun. Wenn er das übersteht, hat er den Mount Everest der Ausdauerschwimmer bezwungen. Der 51-Jährige aus Austin im US-Bundesstaat Texas hat sich aufgemacht, als erster Mensch den Pazifik von Japan bis Kalifornien zu bezwingen. Jeden Tag acht Stunden lang. Mit der einzigartigen Anstrengung will der gebürtige Franzose auf die Bedrohung der Meere durch Plastikmüll aufmerksam machen.

Feuerquallen, Haie, Stürme und Wellenberge

Für die rund 9000 Kilometer lange Strecke hat sich Lecomte ein Zeitgerüst von etwa 180 Tagen vorgenommen. Sprich: rund 50 Kilometer am Tag. Wenn alles klappt, wird der zweifache Vater, dessen Tochter (17) und Sohn (11) ihn beim Start in Japan im Wasser verabschiedeten, im November in die Bucht von San Francisco einbiegen. Was bis dahin auf den aus Paris stammenden Extremsportler wartet – von Feuerquallen, Tankern, Haien, Stürmen und Wellenbergen bis hin zu schwimmenden Müllhalden – elektrisiert in den sozialen Medien Hunderttausende. Um für alles gewappnet zu sein, ist Lecomte abseits des Neopren-Schutzanzugs mit Hochtechnologie ausgestattet. Über Kopfhörer ist er in ständigem Kontakt mit der Crew an Bord eines 20 Meter langen, hochseetauglichen Segelbootes. Ein wasserdichtes Herzfrequenzmessgerät, ein Detektor für Radioaktivität und ein Armband, das ein magnetisches Feld produzieren kann, um Haie abzuhalten, gehören ebenfalls dazu.

Damit er bei Kräften bleibt, wird Ben Lecomte jede halbe Stunde im Wasser Flüssignahrung zu sich nehmen. Nach der geplanten Acht-Stunden-Schicht wartet dann an Bord der „Discoverer“, die knapp drei Tonnen Proviant geladen hat, das richtige Essen. 8000 Kalorien pro Tag müssen es sein. Gegen die programmierte Monotonie wappnet sich der in einer Beratungsfirma für Umweltfragen tätige Architekt mit einer inneren Checkliste. „Ich habe einen genauen Plan, worüber ich nachdenken werde – und wann.“ Dazu gehöre etwa der Bau eines Hauses. Oder die Erinnerung an eine Geburtstagsparty mit „all ihren Gerüchen, Geräuschen und Eindrücken“. Ziel müsse es immer sein, „den Geist vom Körper zu trennen“. Damit sich beide auf ihre Aufgaben konzentrieren könnten. „Sonst dreht man irgendwann durch.“

Lecomte hat sich über Monate mit täglich bis zu sechs Stunden Lauf-, Radfahr- und Schwimmtraining vorbereitet. Unter Belastung darf sein Puls dauerhaft nicht über 120 steigen.

Die Einsamkeit, der sich Lecomte aussetzt, kontrastiert mit dem neunköpfigen Begleittross, zu dem auch Ärzte gehören. Neben der Segeljacht ist ein Schlauchboot im Einsatz, das den Rekordschwimmer jeden Morgen genau an der Stelle ins Wasser lassen wird, wo er am Vortag verkühlt, unterzuckert und erschlagen an Bord geklettert ist. So soll später auch fürs Guinness-Buch der Rekorde per GPS-Messung lückenlos nachgewiesen werden, dass niemand geschummelt hat.

Über 20 wissenschaftliche Organisationen bis hin zur Weltraum-Agentur Nasa haben sich an das Projekt angedockt. Experten werden während der Tour 1000 Wasserproben entnehmen und den Zustand der Meere untersuchen. Via Internet können Interessierte auf www.thelongestswim.com und www.seeker.com mitverfolgen, wie sich Lecomte in den Fluten schlägt. Alle zwei Wochen soll es zusammenfassende Dokumentationen geben und im nächsten Jahr dann einen großen Film im Discovery Channel.

Fließender Teppichaus Plastiktüten

Zu den schwierigsten Passagen seiner Reise wird irgendwo zwischen Hawaii und Kalifornien der „Great Pacific Garbage Patch“ gehören, ein fließender Teppich aus Plastiktüten, Flaschen, Kanistern, Zahnbürsten, Rasierern und Kunststoff-Netzen, dessen Ausmaß die Größe von Zentral-Europa erreicht hat. Lecomte will die Weltöffentlichkeit aufrütteln, den von Strömungen und Winden zusammengehaltenen Schandfleck nicht länger zu ignorieren. „Der Ozean ist in Gefahr und wenn wir nichts ändern, wird es noch schlimmer.“

Ben Lecomte weiß, worauf er sich eingelassen hat. Er ist Wiederholungstäter. 1998 durchpflügte er als erster Mensch schwimmend den Atlantik. Für die Strecke zwischen Hyannis in Massachusetts an der US-Ostküste und Quiberon in Frankreich, knapp 5400 Kilometer, benötigte er 73 Tage. Nach dem glücklichen Ende ging Lecomte in die US-Fernseh-Show von Oprah Winfrey und sagte: „Nie wieder.“ Schon wenige Tage danach entschied er sich um. „Ich brauche eine neue Herausforderung.“ Jetzt ist sie da.