Hamburg. Kamerateams aus aller Welt in Altona. Umweltsenator Kerstan verteidigt Umleitung für ältere Diesel. Polizei: Vorerst keine Bußgelder

    Dutzende Fotografen und Kameraleute aus Dänemark, Japan oder Tschechien, Reporteranfragen von CNN, der „New York Times“ oder Radio France Inter, von allen großen deutschen Sendern sowieso: So vielen Kameras, Mikrofonen und Journalisten wie am Donnerstagmorgen im Kollegiensaal des Altonaer Rathauses hat sich Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan wohl noch nie gegenübergesehen. Ursache des Medienauflaufs: Das von dem Grünen-Politiker in seinem Luftreinhalteplan festgelegte Durchfahrtsverbot für Dieselfahrzeuge ist am Donnerstag in Kraft getreten – und es ist das bundesweit erste Verbot dieser Art. Umso genauer wird es nun von der Welt beäugt. Wie berichtet, darf eine 580 Meter lange Strecke auf der Max-Brauer-Allee jetzt nicht mehr von älteren Diesel-Pkw und -Lkw schlechter als Abgasnorm Euro 6/VI befahren werden. Auf 1600 Metern der Stresemannstraße gilt dieses Verbot ausschließlich für Lkw älter als Euro VI.

    Kerstan verteidigte die umstrittenen Beschränkungen am Donnerstag energisch – und wies den Vorwurf sinnloser „Symbolpolitik“ zurück. Dieser sei „sachlich falsch“ und zeuge von „grober Unkenntnis“, so Kerstan. Der Senat sei durch EU und ein Gerichtsurteil gezwungen, diese Maßnahmen zum Schutz der Menschen umzusetzen. Dass sie eine gewisse „Signalwirkung“ hätten, sei ihm klar, das sei aber nicht seine Intention gewesen.

    „Es ist unser Ziel und unsere Verantwortung, die Bürgerinnen und Bürger vor schädlichen Abgasen zu schützen“, so Kerstan. „Neben Dutzenden anderen Maßnahmen enthält unser Luftreinhalteplan auch zwei Durchfahrtsbeschränkungen. Es war nie unser Ziel, Durchfahrtsbeschränkungen anzuordnen, aber an diesen Straßen sind sie notwendig, weil alle anderen Maßnahmen dort nicht greifen.“ Die Beschränkungen seien eine „unverschuldete Härte für Autobesitzer, aber unvermeidbar, weil die Autohersteller getrickst haben und die Bundesregierung seit Jahren versucht hat, das Problem durch Nichtstun auszusitzen“, so Kerstan. Ohne den Abgasbetrug hätte es keine Durchfahrtsbeschränkungen geben müssen. Wenn die Bundesregierung die Autohersteller zu Hardware-Nachrüstungen zwinge, „können wir unsere Schilder bald wieder abbauen“, sagte der Senator.

    Während der Pressekonferenz protestierte eine Anwohnerinitiative mit „Placebos helfen nicht“-Transparenten gegen die aus ihrer Sicht zu geringen Maßnahmen. Greenpeace und BUND schlossen sich dieser Kritik an, ebenso wie die Linke. ADAC-Sprecher Christian Hieff stellte sich hinter Kerstan und betonte, dass die Verantwortung für das neue Dieselfahrverbot nicht in der Hamburger Politik liege, sondern in der Trickserei der Autoindustrie.

    CDU, FDP, AfD und Steuerzahlerbund übten scharfe Kritik. Die Fahrverbote seien unsinnig und führten zu einer höheren Umweltbelastung durch Umwege. Außerdem seien sie ungerecht und belasteten die Polizei stark. Diese allerdings bekräftigte, dass sie die Regelungen mit Stichproben, Schwerpunkt- und Großkontrollen durchsetzen wolle. „Die Überwachung von Verkehrsregeln ist von jeher unsere Aufgabe“, sagt Karsten Wegge von der Verkehrsdirektion. Zunächst solle es aber noch keine Bußgelder geben.

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