Sigmaringen.

Die ältere Dame hat keine Chance. Im Mai 2017 wird sie – so schildert es der Staatsanwalt – in Stetten am kalten Markt bei Sigmaringen (Baden-Württemberg) von einem Hund der Rasse Kangal angefallen. Das Tier reißt die 72-Jährige zu Boden, beißt ihr mehrfach in Kopf und Hals. Der Notarzt ist zwar schnell zur Stelle, kann sich aber erst um die Frau kümmern, als der aggressive Hund von ihr ablässt. Die Seniorin stirbt an ihren schweren Verletzungen.

Vor dem Amtsgericht Sigmaringen müssen sich seit Dienstag die Besitzer des Tieres – eine 44-Jährige und der 48-jährige von ihr getrennt lebende Ehemann – verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen fahrlässige Tötung vor.

Die tödliche Attacke des Hundes ist eine von vielen, die regelmäßig für Entsetzen sorgen. Zuletzt biss in diesem Frühjahr ein Kampfhundmischling in Hannover seine 52 Jahre alte Besitzerin und deren 27 Jahre alten Sohn in deren Wohnung tot. Ebenfalls im April tötete ein Mischlingshund einen sieben Monate alten Jungen in Hessen mit einem Biss in den Kopf. In München fiel erst kürzlich ein Rottweiler mehrere Passanten an.

Das Amtsgericht muss unter anderem bewerten, ob die Besitzer den Kangal und ihre anderen Tiere artgerecht hielten. Nach Ansicht des Staatsanwalts war das nicht der Fall. Der Kangal sei mit einem Halsband angekettet gewesen, das zu abgenutzt war, um das Tier wirklich zu halten. Die Folge: Der Hund riss sich los und ging unvermittelt auf die Spaziergängerin los. Das Tier wurde am Ende von der Polizei erschossen. Die Ermittler zeichnen vor Gericht das Bild eines verwahrlosten, zugekoteten Zuhauses, in dem die 44-Jährige offenbar mit der Haltung überfordert war.

Vor Gericht entschuldigen sich die Angeklagten bei den Hinterbliebenen. Für den Ehemann des Opfers, der im Prozess als Nebenkläger auftritt, ein schwacher Trost: „Ich bin nicht der richtige Adressat für eine Entschuldigung. Sie müssten sich eigentlich bei meiner Frau entschuldigen“, sagt der Herr, der seine Tränen nur mit Mühe zurückhalten kann.