Im gelungenen Drama „The Happy Prince“ führt Rupert Everett Regie, schrieb das Drehbuch und spielt die Hauptrolle

    Das Märchen vom glücklichen Prinzen, der ja doch ein unglücklicher ist, hat er einst seinen Söhnen geschrieben und vorgelesen. Jetzt flüstert der große Literat es sich selber zu. Im Gefängnis. Um nicht verrückt zu werden. Gerade noch ist er in der oberen Gesellschaft verehrt und gefeiert, dann aber wegen homosexueller „Unzucht“ verurteilt worden. Und auch als er nach zwei Jahren Zuchthaus und harter Zwangsarbeit entlassen wird, gebrochen, gealtert und angeschlagen, hört die Strafe nicht auf. Wird er von Wildfremden auf der Straße verspottet, bespuckt und verfolgt. Selbst im Ausland, in das er flieht.

    Es gibt schon viele Filme über Oscar Wilde. Aber alle hören mit der Verurteilung auf und erklären lediglich im Abspann, dass der Literat nur drei Jahre nach der Freilassung gestorben ist. Rupert Everetts Film „The Happy Prince“ fängt da erst an. Erzählt in erschütternden Bildern, wie der einst Berühmte nun wie ein Aussätziger behandelt und vom Pöbel durch die Gassen gejagt wird.

    Everett spielt diesen Wilde ganz ohne Eitelkeit, hat sogar Pfunde zugelegt

    Kein Biopic im klassischen Sinn. Das einst mondäne Leben des Verfassers so epochaler Werke wie „Salome“ oder „Das Bildnis des Dorian Grey“ blitzt schon auf, aber nur in Rückblenden. Und nicht als biografischer Abriss, sondern als Stream of Consciousness. Als Bewusstseinsstrom, der nicht immer ganz klar ist, denn der Paria-Poet verdrängt und ertränkt seinen tiefen Fall – und auch die kargen Gelder, die er von alten Gönnern erbetteln muss – in reichlich Alkohol und flüchtigen Eskapaden mit Gossenjungs. Letzte Relikte des alten Lebensstils als Dandy. Das Leben (und der Film) zieht an ihm vorbei wie ein verhangener, von Absinth getrübter Bilderschleier.

    Rupert Everett spielt nicht nur die Hauptrolle, er hat auch das Drehbuch geschrieben und mit 58 Jahren zum ersten Mal Regie geführt. Eine größere Ego-Nummer geht eigentlich nicht. Und bei einer solchen Personalunion könnte man reichlich Eitelkeit erwarten. Stattdessen die große Überraschung: Everett spielt diesen Wilde ganz ohne Eitelkeit, hat sogar extra Pfunde zugelegt und stellt sich selbst schonungslos in erbärmlichen Situationen aus.

    Man hätte sich wahrlich eine Nummer kleiner vorstellen können für ein Regiedebüt. Aber der Schauspieler wollte eigentlich nie inszenieren und hat es nur getan, weil kein anderer wollte und seine große Vision von einem eigenen und ganz anderen Wilde-Film sonst gestorben wäre. Auch in der Regie erweist sich der Schauspieler überraschend souverän und selbstsicher. Und sein Kameramann John Conroy bietet dazu die passenden Bilder, die bei kurzen Lichtblicken satt sonnendurchflutet sind und dann wieder hinter dumpfen Spelunkenschwären zu verschwinden drohen.

    Everett muss hier gleich mehrere Vergleiche bestehen. Den mit Stephen Fry, der Wilde mustergültig 1999 in „Oscar Wilde“ gab. Und dann den mit dem Literaten selbst. Beides gelingt ihm. Der offen schwul lebende Star setzt Wilde mit seinem Film auch ein sehr persönliches Denkmal als Schwulen-Ikone. Und es ist bemerkenswert, wie Everett durch das große Genie, dem er da huldigt, selbst zur Höchstform gefunden hat.

    „The Happy Prince“ D/B/I 2017, 105 Min., ab 12 J., R: Rupert Everett, D: Rupert Everett, Colin Firth, Colin Morgan, Edwin Thomas, Emily Watson, täglich im Abaton (OmU), Holi;
    www.thehappyprince-film.de/