Hamburg. Kienscherf (SPD): Noch mehr als 10.000 Wohnungen pro Jahr nötig. Industrie-Chef warnt vor Konflikten

    und Martin Kopp

    SPD und Grüne können sich vorstellen, dass Hamburg noch viel stärker wächst als erwartet. „Die Prognosen gehen von bis zu zwei Millionen Einwohnern aus, aber auch 2,2 Millionen Einwohner könnte Hamburg vertragen“, sagte SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf in einem gemeinsam mit Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks geführten Interview.

    Die Hansestadt wächst ohnehin stetig: Nachdem Mitte der 1980er-Jahre nur noch 1,57 Millionen Menschen in der Stadt lebten, hatte Hamburg 2016 erstmals wieder die Marke von 1,8 Millionen Einwohnern überschritten. Die Fraktionschefs der beiden Regierungsparteien betonten, dass sie dieses Wachstum nicht mit Sorge sähen, sondern als Chance betrachteten. „Wir haben noch eine Menge Potenzial, und zwar ohne dass wir Grünanlagen bebauen oder Hochhäuser errichten müssen“, so Kienscherf.

    Auf die Frage, ob angesichts der steigenden Mieten noch mehr als die derzeit angepeilten 10.000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden müssten, sagte der SPD-Politiker: „Ja, dahin müssen wir mittelfristig kommen und dabei den Anteil günstigerer Wohnungen erhöhen.“ Allerdings lasse sich der angespannte Wohnungsmarkt auch mit 12.000 Wohnungen pro Jahr nicht mit einem Schlag entlasten.

    Tjarks sagte, in der weiteren Verdichtung der Stadt liege eine große Chance: „Auf geringer Fläche viele Menschen unterzubringen und ihnen die komplette Infrastruktur zu bieten – von der Wohnung über Kitas und Schulen, Einkaufsmöglichkeiten und Kneipen bis hin zu U- und S-Bahn-Stationen –, schont die Umwelt und ist viel günstiger, als in die Fläche zu gehen.“

    Matthias Boxberger, Vorsitzender des Industrieverbands Hamburg, sieht hingegen „Wohnungsbau und Indus­trieentwicklung vermehrt in Konflikt“. Dabei gehe es einerseits um Flächen, andererseits darum, „dass die Wohnbebauung auf Industriebetriebe zuwächst“. Fragen des Emissionsschutzes und Lärmgrenzwerte seien aber über das Betriebsgelände hinaus von Belang, so Boxberger: „Wir benötigen Nachbarschaftszonen, auf die sich die Unternehmen mit dem Wohnungsbau verständigen.“

    Seite 6 und 10 Die großen Interviews