Das Superhelden-Epos „Deadpool 2“ will zu viele Geschichten auf einmal erzählen und gerät dabei reichlich blutig

    Im ersten Teil war Deadpool der Superheld, der kein Held sein will. Im zweiten Teil wird die Verweigerungshaltung noch grundsätzlicher. Er ist der Su­perheld, der gar nicht mehr sein will. Dabei sollte der Film, so erzählt der Protagonist das dem Zuschauer direkt in die Kamera, ein Familienfilm sein. Und seine große Liebe (Morena Baccarin), die er am Ende des ersten Teils wiedergewonnen hat, eröffnet ihm nun zu Beginn des zweiten, dass sie schwanger ist. Aber während man noch überlegt, ob es je einen Comic-Helden gab, der Papa wurde, wird die große Liebe vor seinen Augen getötet.

    Die Folge: Schock, Selbstmitleid, Suizidversuch. Der Mann im roten Latexanzug dreht das Gas auf, stellt ein paar Benzinkanister in die Wohnung, betätigt sein Feuerzeug – und wird mit Wums, was nicht eben appetitlich anzusehen ist, regelrecht zerrissen. Aber alles halb so schlimm: Deadpool ist ja, seit er genmanipuliert wurde, unkaputtbar. Da können sogar Kopf und Körperteile wegfliegen, sie wachsen in Kürze wieder nach.

    „Deadpool“ war vor zwei Jahren ein Überraschungs-Erfolg. Ein Comic-Held, der politisch komplett inkorrekt war, der mit Lust fluchte und metzelte, vor allem aber partout nicht zu den heroischen X-Men-Mutanten gehören wollte: Das war eine Comic-Parodie par excellence, an der sich nicht nur Comic-Fans ergötzen konnten, für die es viele Insider-Gags gab, sondern auch all jene, die mit dem ganzen Comic-Kram im Kino gar nichts anfangen können. „Deadpool“ auch eine Rehabilitation des Hauptdarstellers: Ryan Reynolds hatte sich schon mal im Superhelden-Genre versucht, als „Green Lantern“ im grünen Latex. Der Film aber war ein Flop. Das Trauma hat er in Rot und rotzfrech erfolgreich verarbeitet.

    Was ihm als Grüne Laterne nicht gelang, hat er als Deadpool geschafft: eine Fortsetzung. Die hat Reynolds nicht nur, wie schon im ersten Teil, auch mitproduziert. Er hat noch mehr Mitspracherecht durchgesetzt, bis Tim Miller, Regisseur von Teil eins, nach kreativen Differenzen das Handtuch warf. Und Reynolds hat auch noch am Drehbuch mitgeschrieben. Das Schreiben allerdings ist nicht unbedingt seine Superkraft.

    „Deadpool 2“ bleibt ein Familienfilm. Der Antiheld muss, quasi als Ersatzvater, einen jungen Mutanten namens Russell (Julian Dennison) beschützen, der, wenn er böse wird, ziemliche Feuerbälle werfen und reichlich Schaden anrichten kann. Ein weiterer Superheld namens Cable (Josh Brolin) reist aus der Zukunft an, in der der erwachsene Russell seine Familie ausgelöscht hat, um den Jungen nun gar nicht erst zum Manne reifen zu lassen. Da muss man nicht nur an „Terminator“ denken, Brolin blinkt etwas Rotes aus dem Auge, wie weiland Schwarzenegger.

    Das ist nur eins von vielen Momenten, die diesmal weniger als Parodie denn als Plagiat erscheinen. „Deadpool 2“ ist irgendwie normaler geworden, ein Comic-Film wie so viele. Die Titelfigur rekrutiert auch ein kleines (Anti-)Helden-Team, eine Freak-Familie, als müsste auch er sich zum Avenger-Club ausweiten. Da liefert die Konkurrenz aber deutlich mehr an Stars unter den Heldentrikots.

    „Deadpool 2“ will ganz viele Geschichten auf einmal erzählen, aber letztlich sind sie doch immer nur Anlässe für die nächsten Gemetzel, die wie schon im ersten Film wieder sehr blutig und drastisch geraten. Am Ende hängen aber nicht nur überall abgetrennte Extremitäten im Bild, sondern vor allem die losen Handlungsstränge, die einfach nicht zusammenwachsen wollen.

    Danach mag man am liebsten noch mal Teil eins gucken. Der war um Längen besser. Eins aber muss man Reynolds unbedingt zugutehalten: Die Größe zur absoluten Selbstironie, die ist in Hollywood wahrlich nicht häufig zu finden.

    „Deadpool 2“ USA 2018, 120 Min., ab 16 J.,
    R: David Leitch, D: Ryan Reynolds, Josh Brolin, Zazie Beetz, Brianna Hildebrand, Morena Baccarin, täglich im Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Hansa Savoy (OF), Studio (OF), UCI Mundsburg/Othmarschen-Park/Wandsbek, Zeise;
    www.foxmovies.com/movies/deadpool-2