Hamburg. Ein Saga-Mieter vergab Zimmer zu hohen Preisen. Mindestens zehn Wohnungssuchende fühlen sich nun um die Kaution geprellt.

Niemand kann behaupten, dass Bernd Sandmann (Name geändert) Ordnung und Etikette unwichtig wären. „Es wird Wert auf Höflichkeit, Rücksichtnahme, Freundlichkeit sowie Sauberkeit und die Wertschätzung fremden Eigentums gelegt“, schreibt Sandmann in Inseraten, mit denen er auf Internetplattformen wie Ebay-Kleinanzeigen oder „wg-gesucht“ nach Untermietern sucht. Überhaupt sei die Wohnung auf der Veddel „keine Party- WG und auch keine, in der ständig Leute zu Besuch sind“. In seinen Mietverträgen zeigt sich Sandmann ebenfalls pingelig. Der „Putz- bzw. Reinigungsplan“ sei auch von den Besuchern einzuhalten. Der Untermieter verpflichtet sich zudem gegenüber dem Hauptmieter, also Sandmann, sich an allen Kosten für „Utensilien, die zur Reinigung der Wohnung benötigt werden (wie z. B. Glasreiniger)“ zu beteiligen.

Zu dieser Akribie mag die juristische Akte der 94,97 Quadratmeter großen Vierzimmerwohnung des städtischen Wohnungsunternehmens Saga nicht so recht passen. In wesentlichen Teilen liegen sie dem Abendblatt vor. Sie ist gefüllt mit Betrugsanzeigen, Gerichtsverfahren und Mahnschreiben, sie enthält sogar eine Mail des Landeskriminalamts Organisierte Kriminalität. Der Fall „Sandmann“ zeigt exemplarisch, wie skrupellos mitunter die Not von Studenten, Praktikanten und Berufseinsteigern, die in der Hansestadt nach einer bezahlbaren Unterkunft suchen, ausgenutzt wird.

Interessengruppe gebildet

18 ehemalige Mieter, die sich als Opfer der Geschäftspraktiken von Sandmann sehen, haben sich inzwischen zu einer Interessengruppe „Geschädigte Mieter“ zusammengeschlossen. Sie wohnten allesamt mehrere Monate zur Untermiete bei Sandmann, zahlten Mieten zwischen 400 und 650 Euro, viele von ihnen haben nun ein großes Problem: Sandmann überweist die gezahlten Kautionen nicht zurück. Mehrere Untermieter gehen inzwischen juristisch gegen den Hauptmieter vor, darunter Jürgen Schäfers, dessen Tochter Janina von Februar bis April 2017 bei Sandmann wohnte.

„Allein uns schuldet er noch 1200 Euro“, sagt Schäfers, der die Arbeit der Gruppe koordiniert. Laut seiner Aufstellung warten zehn der 18 Untermieter auf die Rückzahlung ihrer Mietkaution, obwohl die gesetzliche oder vertragliche Frist von drei bis sechs Monaten längst verstrichen sei. Schäfers sagt: „Bei Nachfrage oder Zahlungsaufforderung der Kaution werden die ehemaligen Mieter mit fadenscheinigen Begründungen und unter Bezichtigung des Inventardiebstahls unter Druck gesetzt, beschimpft und in Verruf gebracht.“ In anderen Fällen habe Sandmann erst nach massiven juristischen Schritten gezahlt.

Grundsätzliche Frage

Der Fall Sandmann wirft eine grundsätzliche Frage auf: Wieso kann der Mieter einer Wohnung der Saga, die für besonders preiswerten Wohnraum steht, überhaupt mehrere Zimmer gewerblich untervermieten? Auf Anfrage des Abendblatts schreibt dazu das Unternehmen: „Der Saga ist bewusst, dass sie insbesondere in nachgefragten innerstädtischen Lagen vergleichsweise günstige Mieten anbietet, die manche missbräuchlich dazu nutzen, daraus Vorteile zu ziehen. Unser Unternehmen überprüft vor diesem Hintergrund regelhaft seine Wohnungs­-bestände auf unerlaubte Nutzung. Wir weisen aber auch darauf hin, dass uns mietenrechtlich bisweilen die Hände bei der Ahndung von Verstößen gebunden sind.“ Zum laufenden Verfahren könne man aus „datenschutzrecht­lichen Gründen keine Auskünfte geben“. Es gebe jedoch keine Rechtsbeziehung zwischen der Saga und den Untermietern: „Wir empfehlen den Geschädigten ausdrücklich, den geltenden Rechtsweg einzuschlagen.“

Zwei Verfahren laufen

Genau das versuchen die Untermieter nun, aber der Weg ist schwierig und kann teuer werden. Zur Zeit laufen zwei Verfahren vor dem Amtsgericht Harburg wegen verweigerter Kautionsrückzahlung und Eigenbedarfskündigung.´Einen dieser beiden Prozesse führen die Anwälte von Jürgen Schäfers: „Wir profitieren davon, dass wir eine Rechtsschutzversicherung haben“, sagt Schäfers.

Wer keine solche Police hat wie Tim Petersen, der nach dem Studium als Bauingenieur dringend eine Bleibe suchte und sich kurzfristig für die Anmietung eines Zimmers entschied, muss sich nun genau überlegen, ob er die Klage riskiert. Dabei stünden seine Aussichten schon aus formalen Gründen nicht schlecht. Sein Zimmer, laut Sandmann 36 Quadratmeter groß, hat in Wahrheit nicht einmal 22 Quadratmeter.

Sandmann als Hauptmieter abgemahnt

Nach Abendblatt-Informationen hat inzwischen die Saga Sandmann als Hauptmieter abgemahnt, da er widerrechtlich seine komplette Wohnung untervermietet habe. Seine Anwälte haben beantragt, die Klage abzuweisen, da ihr Mandant eine Genehmigung gehabt habe, Teile der Wohnung unterzuvermieten. In dem Schriftsatz protokollieren sie akribisch die unterschiedlichen Mietzeiträume der Untermieter, zumindest ein Zimmer sei immer von ihrem Mandanten oder seiner Frau genutzt worden. Deshalb könne von einer illegalen Komplettuntervermietung keine Rede sein.

Seit wann Sandmann mit seiner Frau, die am 16. Dezember 2004 den Mietvertrag unterschrieb (Warmmiete 830,07 Euro), Zimmer untervermietet, bleibt offen. Ebenso unklar ist, ob Sandmann aktuell neue Untermieter sucht. Einen Fragenkatalog, den das Abendblatt dem Ehepaar übersandte, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Sicher ist jedoch, dass das Paar hohe Profite aus der Wohnung zog – die Einkünfte aus den Untermietverhältnissen überstiegen die zu zahlende Hauptmiete deutlich.

Genossenschaften mit ähnlichen Problemen

Der Fall Sandmann mag durch die nicht zurückgezahlten Kautionen besonders drastisch sein. Doch die Geschäfte mit Untermietern – ob durch Verträge wie in diesem Fall oder über Plattformen wie Airbnb – sind mitnichten Einzelfälle. „Unsere Mitglieder melden, dass die zeitlich befristeten Untervermietungen zunehmen. Das Ganze findet jedoch im Graubereich statt“, sagt Axel Wittlinger, Chef des Immobilienverbands Nord (IVD). Der Verwalter bekomme die tage- oder wochenweise Untervermietung oft gar nicht mit. Wer aber erwischt werde, müsse mit einer Abmahnung oder einer fristlosen Kündigung rechnen.

Genossenschaften registrieren inzwischen ähnliche Probleme. „Auch wir wurden in solchen Fällen schon tätig“, bestätigt Dennis Voss, Vorstand der Kaifu Nordland. Hinweise würden von Hausmeistern oder Mietern kommen, denen der ständige Wechsel von Bewohnern auffällt. Voss geht von einer entsprechenden Dunkelziffer aus.

Ungemach könnte Airbnb-Gastgebern drohen, die ihre Einkünfte nicht versteuert haben. Auf Initiative des Hamburger Finanzsenats hat Deutschland ein Auskunftsersuchen an Irland gestellt, dem Sitz des weltgrößten Unterkunftvermittlungsportals. Mit den Daten dürfte der deutsche Fiskus Steuersündern auf die Spur kommen.