Blankenese. In der Reihe „Wir im Westen“ bieten Menschen Einblicke in ihr Leben. Heute: Jürgen Philipp, Stadtteilführer

Der Eindruck ist höchst ungewöhnlich: Mitten im Herzen von Blankenese, dort wo quasi die Lebensadern des Stadtteils zusammenlaufen, befindet sich eine Wohnung, in der die Zeit ein bisschen stehen geblieben ist. Während unten junge Frauen ins Café Caroux schlendern oder die Fahrer diverser SUVs nach Parkplätzen suchen, verströmt das Wohnzimmer von Jürgen Philipp die anheimelnde Stimmung einer Bibliothek. Dass hier jemand wohnt, der mit dem Stadtteil aufs Tiefste verwoben ist, sieht man sofort: Im Hausflur hängen viele aktuelle Blankenese-Fotos, oben dann überall Stiche, Poster und vor allem: jede Menge alte Bücher.

Jürgen Philipp hat einmal mehr geschafft, was ihm im Leben häufiger geglückt ist – und wovon andere nur träumen können: Hobby und Beruf sind unter einem Hut vereint. Und das Beste: Da er eigentlich längst Ruheständler ist, kann sich der stets schick gekleidete Mittsiebziger die Zeit ganz nach Belieben einteilen.

Philipp gilt als einer der profiliertesten Blankenese-Führer und erfolgreicher Stadtteil-Fotograf. Er kann offensiv – und unwidersprochen – damit werben, auch solche Ecken zu zeigen, „die nur Insider kennen“.

In gewisser Weise hat sich ein Kreis geschlossen: Philipp, der vor vielen Jahren mal Jürgen Philipp Schmidt hieß, ist in Blankenese aufgewachsen und vor einigen Jahren wieder in den Stadtteil zurückgekehrt. „Blankenese kann man nicht vergessen“, sinniert er, „egal, wo ich gelebt habe, dieser Ort ist immer meine Heimat geblieben.“

Dass er hier nicht geboren wurde, ärgert ihn manchmal ein wenig, scherzt Philipp, das sei so eine Art „Webfehler“.

Dahinter steckte das Sicherheitsbedürfnis seines Vaters. Denn als sich das Baby Jürgen 1941 anmeldete, tobte der Zweite Weltkrieg, und auch das trotz allem noch recht beschauliche Blankenese schien den Eltern nicht sicher genug. Aus diesem Grund sei er schließlich „versehentlich“ in Bayern auf die Welt gekommen, gleich nach Kriegsende ging’s dann aber wieder zurück. Wenn Jürgen Philipp über die 1940er-Jahre spricht, verschattet sich sein aufgeschlossenes Gesicht gelegentlich. „Ich hatte nicht das, was man eine behütete Kindheit nennt“, erzählt er, „war aber auch nicht unglücklich.“

Früh blieb der Junge sich selbst überlassen, entwickelte – wohl auch aus Selbstschutz – Eigensinn und geistige Unabhängigkeit. Anders sein, schneller sein. Auch als Erwachsener hat er nie aus dem Blick verloren, was so eine Art persönliches Credo wurde und blieb: Man muss immer versuchen, das zu tun, was einem Spaß macht. Dass sich damals geradezu unglaubliche Brüche ergeben – niemand weiß das besser als Jürgen Philipp. Der wohl spektaku­lärste: Als Philipp „zwischendurch“ für einige Jahre in der Haseldorfer Marsch lebte, fiel ihn eine alte Leidenschaft mit solcher Wucht an, dass er – wieder einmal – kurzentschlossen Nägel mit Köpfen machte.

Philipp, der nach eigenem Bekunden schon immer eine starke Affinität für die Landwirtschaft hatte, kaufte einen Resthof in herrlicher Lage, schaffte Kühe an und: wurde Bauer. Und da er auch hier wieder Leidenschaft und Perfektionismus kombinierte, geriet das Projekt nach einem etwas holperigen Einstieg zum Erfolg. Dass ihn dann letztlich doch Heimweh plagte, will Philipp nicht ausschließen. Der Kompass zeigte weg von der Elbmarsch – und wieder mal in Richtung Elbe. Wenn man – unabhängig von seiner offiziellen Tour „Traumhafte Wege durch Blankenese“ mit diesem Stadtteilexperten spazieren geht, ist das ein Erlebnis für sich. Zu jeder noch so kleinen Seitenstraße, letztlich sogar zu jedem Haus kann er etwas erzählen. Anekdoten über Ladeninhaber, längst verstorbene Hausbesitzer, Prominente, Unwetter, Mauern, Bäume. Um diese besondere Heimatverbundenheit zu unterstreichen, steht bei Philipps Rundgängen der kommerzielle Aspekt im Hintergrund. „Bezahl, was es dir wert ist“, steht auf dem Flyer.

Weitere Infos gibt es auf der Homepage unter: www.blankenesefuehrung.de oder per Mail unter: schmidt@blankenese-werbung.de