Die zärtliche Tragikomödie „Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“ ist verspielt und voller visueller Einfälle

Da steht Paul (Karl Kranzkowski) nun, allein, mitten auf einem Rastplatz an der Autobahn. Nach 37 Jahren, fünf Monaten und 21 Tagen Ehe hat ihn seine Frau Charlotte (Corinna Harfouch) verlassen. Genauer gesagt, sie ist mit Enkelin Jo (Annalee Ranft) einfach weitergefahren, Richtung Meer, in voller Absicht. Soll Paul doch mal sehen, wie er da wieder rauskommt, jenseits seiner Komfortzone, in der er es sich allzu gemütlich gemacht hat. Paul verharrt im wahrsten Sinne des Wortes auf seinem Standpunkt. Stundenlang.

Dieses starke Bild ist typisch für den ersten Langfilm von Kerstin Polte. Studiert hat die hessische Regisseurin in keiner der üblichen deutschen Branchenschmieden, sondern in Quebec und Zürich, was schon ein Hinweis darauf sein könnte, warum sie ihre Geschichte eine Spur universeller erzählt, mit einem Rhythmus und einer verspielten Ästhetik, die ein wenig aus der Zeit gefallen scheint. Sie bedient sich lustvoll der visuellen Möglichkeiten, stellt für besonders emotionale Momente sogar die Kamera auf den Kopf.

So wird Charlotte zu einer Art Insekt, das an der Decke klebt, frei und schutzlos zugleich. Die Ausstattung wimmelt vor liebevollen Details, an denen sich mitunter das Sonnenlicht in schönsten Farben bricht. Das hat zuweilen etwas ausgestellt Kitschiges, dient aber immer als Spiegel von Innenwelten, weshalb es irgendwann auch wie das Natürlichste der Welt erscheint, wenn sich Charlotte tatsächlich in den lieben Gott verliebt, in Gestalt eines depressiven Hotelverwalters (Bruno Cathomas).

Doch zu dem Zeitpunkt haben zwei andere Frauen längst wieder Pauls Leben in die Hand genommen. Die Truckerin Marion (Sabine Timoteo) gewährt ihm Schutz vor einem Regenschauer. Alex (Meret Becker), die etwas haltlose Tochter von Paul und Charlotte und Mutter von Jo, gesellt sich bald zu ihnen. Als Trio machen sie sich ebenfalls auf den Weg zum Meer, den beiden Ausbrecherinnen hinterher. Und über allem schwebt die leicht melancholische Musik von Corinna Harfouchs Söhnen Hannes und Robert Gwisdek und von Meret Becker. Wenn die mit ihrer Band Shaban & Käptn Peng plötzlich aus dem Autoradio klingen, zaubert das nicht nur Charlotte ein Lächeln auf die Lippen.

So ist „Wer hat die Liebe erfunden?“ eine zärtlich humorvolle Tragikomödie, die ihre Protagonisten immer wieder zum Strahlen bringt. Man sollte allerdings seinen Frieden damit machen, dass der Film gegen Ende zunehmend ins Vage, Poetisch-Atmosphärische abwandert. Ansonsten müsste man Polte vorwerfen, nicht nur die Konflikte der Liebe, sondern auch so etwas wie das Auftauchen einer unheilbaren Krankheit um der märchenhaften Versöhnlichkeit willen zu bagatellisieren.

„Wer hat eigentlich die Liebe erfunden?“ D/SUI 2018, 90 Min., ab 6 J., R: Kerstin Polte, D: Corinna Harfouch, Meret Becker, Karl Kranzkowski, täglich im Koralle, Passage; www.alamodefilm.de/kino/
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