Nienstedten/Othmarschen . Villa an der Elbchaussee soll 5,2 Millionen Euro kosten. Mediziner Jørgensen begründete hier sein weltweit agierendes Unternehmen

Ein Hauch der Vergangenheit ist in den Räumen noch zu spüren. Es wirkt fast so, als könnte gleich ein Dienstmädchen ins Zimmer treten, das Feuer in den noch erhalten gebliebenen Kaminen in der Bibliothek oder dem Morgenzimmer schüren, um sich dann in ihr kleines Zimmer unter dem Dach zurückzuziehen. Die weiße Villa an der Elbchaussee blickt auf eine fast 100-jährige Geschichte zurück.

Haus war 25 Jahre lang Sitz einer Augenklinik

Besucher des Hirschparks kennen das „Weiße Haus“ in Nienstedten, weil es genau gegenüber von der Fußgängerüberquerung nahe der Straße In de Bost liegt. Vielen ist das Haus aufgrund seiner ungewöhnlichen Architektur aber auch so ein Begriff. Denn die denkmalgeschützte Villa ist ein absoluter Hin­gucker, vor allem weil sie ähnlich dem amerikanischem Präsidenten-Amtssitz über einen runden Säulenvorbau verfügt.

Bis vor Kurzem war die denkmalgeschützte Villa an der Elbchaussee der Hauptsitz einer Augenklinik. Nun steht das Gebäude leer und wartet auf einen neuen Besitzer. Der müsste für die Villa mit 15 Zimmern auf dem 4800 Quadratmeter großen Grundstück 5,2 Millionen Euro hinblättern, wie aus einer Internetofferte hervorgeht. Anfangs stand die Villa sogar mit einer Summe von mehr als sechs Millionen Euro im Netz. Wer glaubt, das sei viel: Vor zwei Jahren stand das teuerste Haus, das in Hamburg verkauft wurde, ebenfalls an der Elbchaussee und kostete den neuen Besitzer sogar 15,75 Millionen Euro. Trotzdem zählt die Villa in Nienstedten zu den derzeit teuersten Immobilien, die auf dem Hamburger Markt zur Verfügung stehen – und bei denen der Kaufpreis offen genannt wird.

Von Geheimniskrämerei hält Jørn Jørgensen nicht viel. Der gebürtige Skandinavier ist Besitzer der Villa an der Elbchaussee und schwer in eine Schublade zu stecken. Der Chef eines international erfolgreichen Unternehmens will persönlich durch sein Haus führen. Zum Termin kommt er im kleinen Firmensmart vorgefahren. Zuvor musste er einen Termin absagen, weil er zu einer Benefizveranstaltung nach
Tibet musste. Zusammen mit anderen Ärzten behandelte er dort kostenlos Bedürftige, führte unzählige Grauer-Star-Operationen durch.

Der in Dänemark geborene Mediziner kam in den 1980ern nach Deutschland, wo er seine Facharztausbildung an der Universitäts-Augenklinik Eppendorf beendete. In Hamburg machte er sich 1993 dann mit seiner eigenen Augen­klinik selbstständig. Jørgensen gilt als einer der Ersten, der den Grauen Star ambulant behandelte und die Lasertechnik einsetzte. In der Villa an der Elbchaussee schaffte er so den Grundstock für sein heutiges Unternehmen EuroEyes mit 300 Mitarbeitern an weltweit mehr als 27 Standorten.

In den vergangenen 25 Jahren war die weiße Villa Stammsitz des Unternehmens. Laut Jørgensen wurden in den OP-Räumen im Keller etwa 80.000 Menschen beziehungsweise Augen behandelt. Im Erdgeschoss befanden sich die Anmeldung und Ärztezimmer, im ersten Stock Büros, darüber waren Wohnungen an Mitarbeiter vermietet. Jørgensen lebte hier nicht. Er wohnt mit seiner Frau in Othmarschen, wenn er nicht gerade unterwegs ist – und das ist der Weltenbummler eigentlich ständig. So pendelt er beruflich häufig zwischen Hamburg und China, wo er an zehn Tagen pro Monat Augenoperationen durchführt. Dieser Abstand erklärt vielleicht auch, warum er angesichts des Verkaufs und der zahlreichen Erinnerungen, die mit dem Haus verbunden sind, nicht wehmütig ist. „Das Leben ist zu kurz und man muss weiterkommen“, zitiert er ein chinesisches Sprichwort, das er grob ins Deutsche übersetzt.

EuroEyes ist dem Stammsitz an der Elbchaussee einfach längst entwachsen. Der große Zukunftsmarkt liegt laut Jørgensen in China. Dort plant er, in den kommenden Wochen weitere drei neue Standorte zu eröffnen sowie den nächsten großen Schritt: den Börsengang für die gesamte Klinikgruppe. In Hamburg hat EuroEyes nun seinen Hauptsitz an den zentral gelegenen Valentinskamp verlegt. Und mit seinem Sohn, der kürzlich sein Medizinstudium beendete, hat Jørgensen bereits seinen Nachfolger gefunden. Nun braucht er den nur noch für das „Weiße Haus“.

Pläne aus 1914 stammen vom Architekten Wilhelm Wrage

„Mir wäre wichtig, möglichst bald einen Käufer zu finden. So ein Gebäude benötigt Leben, sonst verfällt es, und das wäre sehr schade“, sagt Jørgensen. Aber ihm ist auch bewusst, dass sich die Suche aufgrund des Preises, des Denkmalschutzes und der bisherigen Nutzung auch als schwierig erweisen könnte. „Vielleicht passt hier eine Schönheitsklinik hinein“, überlegt Jørgensen. Der neue Besitzer würde dann wohl auch die im Original erhalten gebliebenen Pläne für die damalige „Villa Friedrich Rill“ bekommen. Die Pläne stammen aus dem Jahr 1914 und stammen aus der Feder des Architekten Wilhelm Wrage.

Bis vor Kurzem hingen die Originalpläne noch als gerahmte Bilder an der Wand. Doch als vor zwei Wochen Jørgensens Augenklinik aus dem Gebäude auszog, wurden auch sie von der Wand genommen. Erst einmal.