Im Dokumentarfilm „Eldorado“ erzählt Regisseur Markus Imhoof von Menschenschicksalen aus persönlicher Perspektive

Es ist eine Binsenweisheit, dass persönliche Betroffenheit unsere Perspektive verändert. Wem ein Flüchtlingsschicksal aus der Familie bekannt oder wer mit einem Asylsuchenden befreundet ist, wird sich dazu anders äußern als jemand, der davon nur in der Zeitung liest. Diese Art des Perspektivwechsels liegt dem Dokumentarfilm des 76 Jahre alten Schweizer Regisseurs Markus Imhoof zugrunde.

Imhoofs Familie hat 1945 ein italienisches Mädchen aufgenommen. In „Eldorado“ erzählt er von der innigen Beziehung, die zwischen ihm als kleinem Jungen und der wenig älteren Giovanna entstand, er lässt aus ihren Briefen vorlesen und schildert, wie viel Stolpersteine die damaligen Behörden der Familie in den Weg legten, weil verhindert werden sollte, dass die „Fremde“ blieb.

Dabei behauptet Imhoof keine Vergleichbarkeit zwischen Giovannas Schicksal und dem eines Flüchtlings aus Afrika heute. Und doch, so lautet die implizite Aussage des Films, lohnt es sich, die Dinge parallel zu denken. Zwischen die persönliche Geschichte schneidet Imhoof Aufnahmen einer Recherche-Reise. Er filmte auf Militärbooten, die das Mittelmeer nach Menschen in Seenot absuchen, drehte in Aufnahmelagern, die so überfüllt sind, dass Hunderte im Freien liegen, und sprach mit Experten, die mal entrüstet, mal rechtfertigend Aspekte der Lage hervorheben. Es entsteht das Bild eines gigantischen Apparats, der gleichgültig, anonym und wenig effizient Menschen auf dem Weg in ein vermeintliches Eldorado regelrecht „verarbeitet“.

„Eldorado“ ist ein ruhiger, gelassener und dabei schneidend präziser Film, weil ­Imhoof die persönliche Perspektive nicht als Betroffenheitsgetue einsetzt. Mit der Geschichte von Giovanna bringt er die abstrakten Beobachtungen zu „Flüchtlingsströmen“ immer wieder auf das Wesentliche zurück: dass es um einzelne Menschen geht. Regisseur Imhoof stellt den Film am Donnerstag, 26.4. , um 20 Uhr im Abaton vor.

„Eldorado“ Schweiz, Deutschland 2018, 95 Min., ab 6 J., R: Markus Imhoof, täglich im Abaton, 3001; www.majestic.de/eldorado