Passau.

Der von Graffitikünstlern gestaltete Fußgängertunnel nahe dem Passauer Hauptbahnhof ist ein beliebter Treffpunkt für die Jugendlichen der Stadt. In der Regel bleiben sie friedlich. Doch am Montagabend ist solch ein Treffen eskaliert: Ein 15-jähriger Junge starb bei einer Schlägerei unter Heranwachsenden.

Die Ermittlungen stehen noch am Anfang. Doch es zeichnet sich ab, dass Schüler die Passage unterhalb eines Optikerladens gezielt auswählten, um eine Auseinandersetzung auszutragen. „Zwei Jugendliche haben sich dort zu einer Aussprache verabredet“, sagt Stefan Geisbauer, Sprecher des zuständigen Polizeipräsidiums Niederbayern in Straubing. Ob damit bereits eine Verabredung zur Schlägerei verbunden war, müsse sich zeigen. Laut Polizei artete ein zunächst verbaler Streit aus. Insgesamt waren rund 20 Personen bei der „körperlichen Auseinandersetzung“ anwesend. Das Opfer wurde zu Boden geschlagen und blieb dort bewusstlos liegen. Der Junge, der in einem Dorf im Landkreis Passau lebte, wurde wiederbelebt, starb aber später in einer Klinik. Seine Leiche wurde am Dienstag nach München gebracht, wo eine Obduktion die genaue Todesursache klären soll.

Nachdem eine Passantin die Polizei benachrichtigt hatte und ein Streifenwagen vorfuhr, flüchteten die Beteiligten. Mit einem größeren Aufgebot an Landes- und Bundespolizisten seien sechs Verdächtige gefasst worden, darunter auch der Kontrahent des Todesopfers, hieß es. Bei den Festgenommenen handele es sich um deutsche, polnische und tunesische Staatsangehörige im Alter zwischen 14 und 25 Jahren. Sie leben in Passau und Umgebung. Laut der Lokalzeitung „Passauer Neue Presse“ handelt es sich ausnahmslos um Jungen und Männer. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigte sich erschüttert: Seines Wissens nach handele es sich mutmaßlich um eine Auseinandersetzung zwischen zwei Jugendgruppen, die schon länger im Clinch miteinander gelegen hätten, sagte er dem Radiosender Antenne Bayern. Er sprach von einer „besonders brutalen Schlägerei“.

Diskussionüber Jugendgewalt

Die Gewalttat wird die bereits seit Wochen laufende Debatte über eine angeblich zunehmende Aggressivität unter Jugendlichen weiter befeuern. In jüngster Vergangenheit haben mehrere Fälle von tödlicher Gewalt für Aufsehen gesorgt. Meistens handelte es sich um Messerattacken. So starb im März in Flensburg eine 17-Jährige, als sie in ihrer Wohnung von ihrem 18-jährigen Freund angegriffen wurde. In Berlin erstach ein 15-Jähriger eine ein Jahr jüngere Mitschülerin. Im Februar verletzte ein 16-Jähriger in Dortmund eine 15-Jährige mit einem Messer so schwer, dass sie wenig später starb. Ebenfalls durch Messerstiche starb im Januar in einer Schule in Lünen ein 14-Jähriger – mutmaßlicher Täter war ein Mitschüler (15).

Viele Statistiken sprechen gegen den Eindruck, dass Jugendliche heute aggressiver sind als früher. So ist die Zahl der Tötungsdelikte zwischen 2000 und 2016 um mehr als ein Drittel gesunken. Bei den 18- bis 21-Jährigen ging die Zahl der Tatverdächtigen pro 100.000 Personen dieser Altersgruppe von 2008 bis 2015 um 31 Prozent zurück. Von 2015 bis 2016 stieg die Zahl allerdings wieder leicht an. Forscher führen den Anstieg auch auf die Zuwanderung von Flüchtlingen zurück. An den Schulen gebe es in den vergangenen 20 Jahren einen Rückgang der bei Schlägereien schwer verletzten Schüler um fast zwei Drittel, sagt der Kriminologe Christian Pfeiffer. „Das, was sich in Passau ereignet hat, ist traurig und fürchterlich für die Betroffenen. Aber es ist nicht die Bestätigung für die wachsende Gewalt Jugendlicher.“

Die Ermittlungen drehen sich nun um eine entscheidende Frage: Was war es, das die Jugendlichen untereinander klären wollten?