Kordyardu.

Ein Jahr ist es her, dass die Bewohner des Dorfes Kordyardu im Osten von Sierra Leone das große Glück fanden – so dachten sie zumindest: Ihren Schürfern war ein faustgroßer Stein in die Hände gefallen, der sich alsbald als einer der 15 größten jemals gefundenen Diamanten erwies. Die Freude kannte keine Grenzen. Der Riesenklunker würde dem Dorf eine glorreiche Zukunft bescheren, da waren sich die Beteiligten sicher.

Ein Jahr später ist von der Euphorie im Dorf nichts mehr zu spüren. „Sie haben unseren Stein gestohlen und gegessen“, schimpft der Lehrer Jeremiah Kombah: „Gott im Himmel möge sie zerstören.“ Dabei sollte dieses Mal alles anders werden. Nachdem die Schürfer den 702 Karat großen Edelstein aus dem Fluss gefischt hatten, händigten sie ihn, wie es sich gehört, dem Besitzer der Bergbaufirma, Pastor Emmanuel Momoh, aus. Dieser marschierte mit dem Diamanten wiederum nicht zum Schwarzmarkthändler, sondern zum Präsidenten des Landes – es sollte alles mit rechten Dingen zugehen.

Bis dato war Sierra Leone für seine „Blutdiamanten“ berüchtigt: Wegen der unglückseligen Edelsteine war es Ende des 20. Jahrhunderts zum Bürgerkrieg gekommen; ihretwegen fehlt heute vielen, von gierigen Rebellen verstümmelten jungen Sierra Leonern ein Arm oder ein Bein. Der Fluch der Blutdiamanten könne nur gebrochen werden, wenn die Steine ihrem rechtmäßigen Besitzer, dem Staat, übergeben würden, befand Pastor Momoh: Dann werde sich der Staat endlich auch um Dörfer wie Kordyardu kümmern können. Und so wurde der Stein gar zum „Friedens-Diamanten“ gekürt.

Der Schatz werde sauberes Trinkwasser, Elektrizität, Schulen, Krankenhäuser, Brücken und Straßen in den Kono Distrikt bringen, zeigte sich Pastor Momoh überzeugt. Auch Präsident Ernest Bai Koroma, der Momoh zu einer im Fernsehen ausgestrahlten Audienz empfing, sah das so. Fortan würde der glitzernde Segen des Landes zu seiner Entwicklung und nicht mehr zu seinem Ruin beitragen. Selbst die Diamantenindustrie stimmte in den Jubel ein: Schließlich ließ sich so der schlechte Ruf bekämpfen, der den Steinen ­inzwischen anhaftete. „Dies ist ein Diamant mit spirituellem Glitzer“, frohlockte Martin Rapaport, Chef der Rapaport-Group. Die Klunker-Lobbyisten drehten ein Werbefilmchen über den Diamanten und schickten Pastor Mamoh auf verkaufsfördernde Welttour: So sollte der Schaden am guten Ruf der Steine ausgeglichen werden, den der Hollywoodfilm „Blood Diamond“ im Jahr 2006 angerichtet hatte. Gott habe den ärmsten Menschen der Welt Diamanten gegeben und dafür gesorgt, dass die reichsten sie wollten, schwelgt Rapaport: „Das macht die Welt zu einem besseren Ort.“

Weder Gott noch Rapaport können dabei Kordyardu im Auge gehabt haben, denn dort erlebten die rund 200 Einwohner mittlerweile eine Enttäuschung nach der anderen. Zunächst teilte ihnen die Regierung mit, dass ihnen nicht wie gedacht etwa 60, sondern nur 40 Prozent des Verkaufserlöses zustehen würden, da sie über keine rechtmäßige Schürflizenz verfügten. Und dann brachte ihr Schatz gar nicht die 30 Millionen US-Dollar ein, mit denen sie gerechnet hatten. Bei einer ersten Auktion in Freetown war nach gut sieben Millionen Dollar Schluss. Die Versteigerung wurde deshalb im Dezember in New York wiederholt: Diesmal wollte sogar keiner mehr über das 6,5-Millionen-Dollar-Angebot des Juwelier-Hauses Laurence Graff gehen. Fachleute erklären das mit der nicht gerade umwerfenden Qualität des Friedensdiamanten.

Der Pastor war plötzlich nicht mehr zu erreichen

Als Claimbesitzer stand Pastor Momoh der 40-Prozent-Anteil zu: Er sollte also etwas mehr als zweieinhalb Millionen Dollar erhalten haben. Ob das so ist, wissen die Dorfbewohner nicht, der glückliche Gottesmann ist für sie nicht mehr zu erreichen. Er ist offenbar in der Hauptstadt Freetown abgetaucht. Kordyardus Dorfchef Komba Nyandomoh ist der Auffassung, dass der Pastor sowohl ihm als auch den eigentlichen Findern jeweils knapp 800.000 Dollar schulde. Bezahlt habe er gerade mal 26.000 Dollar.

Auch aus dem erhofften Krankenhaus wurde bislang nichts: Eine Regierungsdelegation hatte Kordyardu aufgefordert, eine geeignete Stelle dafür auszuwählen. Doch dann sei sie nie wieder aufgetaucht, klagt der Dorfchef. Dabei hätten die Einheimischen schon ein Areal für die Klinik gerodet. Auch Paul Garba Saquee V., das traditionelle Oberhaupt der im Diamantengebiet lebenden Tankoro, zeigt sich von dem Vorgang „not amused“. Die Regierung wolle, dass die Bevölkerung den Schmuggel stoppe und die Steine abgebe, sagt er: „Aber wenn sie dann nichts für die Leute tut, wer wird ihr dann jemals wieder einen Stein bringen?“