York.

Theo Waigel trägt sie buschig der Natur überlassen, andere pinseln sie zu dicken Balken oder zupfen sie zu dünnen Strichen. Man kann sie entschlossen zusammenkneifen, freundlich entspannen oder erstaunt hochziehen: So oder so verstärken bewegliche Augenbrauen Mimik und Ausdrucksfähigkeit des modernen Menschen. Dies könnte einer der Gründe dafür sein, dass der Homo sapiens seine sozialen Fähigkeiten im Lauf der Evolution stetig verbessert habe, glauben Forscher der britischen Universität York.

Frühere Menschenarten hatten statt beweglicher Brauen starre Überaugenwülste. Diese signalisierten wahrscheinlich Dominanz und Aggression – ähnlich dem Geweih eines Hirsches, schreiben die Autoren im Fachblatt „Nature Ecology & Evolution“. Die mobilen Brauen auf flacher Stirn erlauben uns heute, eine breitere Palette an Emotionen auszudrücken, wie Sympathie oder Wiedererkennen.

Das Forscherteam um den An­thropologen Ricardo Godinho und den Anatomie-Professor Paul O’Higgins hatte für die Studie mithilfe einer 3-D-Software die Augenwulst eines Homo heidelbergensis untersucht. Der 125.000 bis 300.000 Jahre alte Schädel des „Kabwe 1“ getauften Menschenverwandten stammt aus dem Smithsonian-Naturkundemuseum in Washington, D.C. (USA) und wurde vor knapp 100 Jahren im afrikanischen Sambia entdeckt.

Wie für ihn und seine Artgenossen typisch, zieht sich über beide Augen und das Nasenbein hinweg eine dicke Wulst, ähnlich wie sie bei Schimpansen noch heute zu finden ist. Bislang vermuteten Wissenschaftler dafür zwei mögliche Ursachen. Zum einen füllten die kräftigen Wölbungen die Lücke zwischen Augenhöhlen und Schädeldecke, zum anderen stabilisierten sie den Schädel bei den kräftigen Beiß- und Kaubewegungen.

Am Computer modellierten die Forscher die Wulst, schliffen sie anschließend ab und variierten dabei auch die Beißkräfte. Dabei zeigte sich, dass Homo heidelbergensis seine auffällige Stirnpartie weder zum Essen brauchte, noch, um sein Gesicht in Form zu halten.

„Da die Augenbrauenwulst nicht allein durch räumliche oder mechanische Anforderungen bestimmt wurde und auch andere Erklärungen, wie das Fernhalten von Schweiß oder Haaren aus den Augen, bereits ausgeschlossen wurden, halten wir es für plausibel, dass sie zur sozialen Kommunikation beigetragen hat“, erklärt Godinho in einer Mitteilung der Universität.

In einem nächsten Schritt sahen sich die Wissenschaftler in der Tierwelt um. Selbst entfernte Verwandte könnten Hinweise darauf liefern, welche Funktion bestimmte körperliche Attribute einmal gehabt haben könnten. „Bei Mandrills etwa haben dominante Männchen leuchtend bunte Erhebungen seitlich der Schnauze, um ihren Status zu signalisieren. Die Größe der Wülste ist hormonell bedingt“, wird Studienleiter Paul O’Higgins in der Mitteilung zitiert.

Der Aufbau der darunterliegenden Knochen sei mit winzig kleinen Kratern durchzogen, genau wie es auch bei den Augenwülsten archaischer Menschenarten gewesen sei.

Mit kleineren Gesichtern kamen bewegliche Brauen

Anders als bei ihren Verwandten seien die Gesichter der modernen Menschen in den vergangenen 100.000 Jahren zunehmend kleiner geworden, die Stirn veränderte sich und Überaugenwülste wichen kleineren, horizontaleren Brauen. Vor allem in den vergangenen 20.000 Jahren habe sich dieser Prozess beschleunigt – insbesondere nachdem Menschen von Jägern und Sammlern zu sesshaften Landwirten wurden und mehr miteinander kommunzierten.

„Moderne Menschen sind die letzten Überlebenden ihrer Gattung. Das hat viel mit unserer Fähigkeit zu tun, große soziale Netzwerke zu bilden“, ergänzt Co-Autorin Penny Spikins. Im Gegensatz zum aussterbenden Neandertaler etwa, hätte der moderne Mensch gezielt Inzucht vermieden und Freundschaften zu entfernt lebenden Artgenossen gepflegt, um dort in harten Zeiten Zuflucht suchen zu können. Mithilfe der Augenbrauen das Wiedererkennen ausdrücken zu können, dürfte dabei hilfreich gewesen sein.

„Augenbrauen-Bewegungen erlauben uns, komplexe Emotionen auszudrücken und die Gefühle anderer wahrzunehmen“, so Spikins. Diesen Umstand hätten auch Versuche mit Menschen belegt, die sich einer Botox-Behandlung unterzogen hatten und ihre Augenbrauen dadurch kaum noch bewegen konnten. Dadurch fiel es ihnen schwerer, die Gefühle anderer zu spiegeln und Mitgefühl zu entwickeln.

In einem Begleitartikel zu der Studie stimmt der Paläontologe Markus Bastir vom naturwissenschaftlichen Museum Madrid zu: Den Forschern sei die Kombination aus ausgeklügelter Methodik und Interpretation gelungen, was weitere Forschung in dem Feld antreiben dürfte.