Das Drama „Film Stars Don’t Die In Liverpool“ enthält eine ergreifende Liebeserklärung

Es gibt das Kino, und es gibt das Leben, und man sollte sie tunlichst nicht verwechseln. Aber es gibt doch Momente, wo Traumfabrik und schnöde Realität inein­andergreifen. Für Peter Turner ergab sich das 1978. Der Schauspielnovize lebte damals in einem Wohnheim für angehende Künstler, in das es auch die Amerikanerin Gloria Grahame verschlug. Ein Filmstar, der seine besten Zeiten da schon lange hinter sich hatte.

Da sitzen sie dann zusammen im Kino und sehen sich den Film an, für den die Grahame einen Oscar gewonnen hat. „Stadt der Illusionen“ aus dem Jahr 1952, in dem Turner gerade mal geboren wurde. Doch die beiden verbindet mehr als die Wand zwischen ihren Zimmern und dem Traum, auf der Bühne zu stehen. Sie kommen sich bald näher. Trotz des Altersunterschieds, der ja bei älteren Herren und jüngeren Damen nie eine Rolle spielte, im umgekehrten Fall damals aber schon für Unmut sorgte.

Gloria Grahame hatte sicher einen Hang zu jüngeren Männern. Als sie mit Hollywood-Regisseur Nicholas Ray verheiratet war, hatte sie eine Affäre mit dessen noch minderjährigem Sohn, den sie heiratete. Die Beziehung zu Turner war eine ehrliche, auch wenn sie nicht nur unter dem Druck von außen endete. Als Grahame bei einem Bühnenauftritt in England zusammenbrach, ging sie nicht ins Krankenhaus, sondern hat sich bei Turner und dessen Eltern in Liverpool einquartiert. Wo sie kurz ein Familien­leben genoss, das sie selbst so nie hatte.

Annette Bening spielt ohne Scheu vor seelischer oder physischer Nacktheit

Das ist der Ausgangspunkt von Paul McGuigans Film. Die Todkranke zieht zu ihrem Ex-Lover, was bei beiden Erinnerungen hervorruft, die als reizvolle Montage von Rückblenden und Jetztzeit erzählt werden. Kein Drehbuch hätte sich eine solche Geschichte ausdenken können. Und doch wird das erzählt wie eine Kinoromanze aus Hollywoods großer alter Zeit. Das Kino spielt dabei auch immer eine Rolle, wenn das Paar zusammen „Saturday Night Fever“, aber auch „Alien“ ansieht. Gleichwohl zeigt sich, dass beide Erinnerungen haben, die nicht immer deckungsgleich sind. Erst durch die doppelte Perspektive wird daraus eine gemeinsame Geschichte.

„Film Stars Don’t Die In Liverpool“ ist ein Film, der von vielen Déjà-vus lebt. Auch was die Besetzung angeht: Jamie Bell, der mit „Billy Elliott“ berühmt wurde, ist hier wieder mal tanzend zu erleben und lernt so auch die Grahame kennen. Bening steht der Schmerz des Abschieds von Anfang an ins Gesicht geschrieben. Sie spielt das mit großer Ehrlichkeit und ohne Scheu vor jeder seelischen oder physischen Nacktheit.

Auch der echte Peter Turner, auf dessen Erinnerungen der Film basiert, hat einen kleinen Gastauftritt. In der schönsten Szene des Films, in der der Lover seiner Liebe ihren größten Traum erfüllt: einmal trotz ihres Alters die Julia auf Londons Shakespeare-Bühne sein. Zwar nur mit ihm allein vor leerem Saal. Dennoch ist das eine der ergreifendsten Kino-Liebeserklärungen seit Langem.

„Film Stars Don’t Die In Liverpool“ GB 2017, 105 Min., ab 6 J., R: Paul McGuigan, D: Annette Bening, Jamie Bell, Julie Walters, täglich im Blankeneser, Koralle; www.FilmStarsDontDieInLiverpool.de