Das Drama „Vor uns das Meer“ erzählt zu konventionell die Geschichte des Weltumseglers Donald Crowhurst

Man kann dem Charme einer solchen Underdog-Story kaum widerstehen: Ein Hobby-Segler, der entgegen allen Erwartungen als schnellster Mann die Welt umschifft. Kaum dass Presseagent Rodney (David Thewlis) die jüngsten Koordinaten seines Seglers Donald Crowhurst (Colin Firth) durchgibt, räumen Zeitungen mehr und mehr Platz frei für Berichte über den Familienvater, Erfinder und Geschäftsmann, der sich am 31. Oktober 1968 aufgemacht hat, um am „Sunday Times Golden Globe Race“ teilzunehmen. Fast sieben Monate später hat er das Kap der Guten Hoffnung wie Kap Hoorn umfahren, und alles sieht aus, als könne ihm niemand den Preis streitig machen.

Genau das wird ihm zum Verhängnis: Crowhurst, das zeigten die Logbücher seines später aufgefundenen Bootes, hatte seine Koordinaten gefälscht. Statt sich in die Südsee aufzumachen, war er im Atlantik verblieben. Er hatte früh erkannt, dass weder sein Boot noch er der Weltumseglung gewachsen waren.

Er setzte stattdessen darauf, als Letzter anzukommen, Als der einzige im Rennen verbliebene Rivale kurz vorm Ziel kenterte, war ihm die unauffällige Rückkehr verwehrt. Was die Presse als Triumph des kleinen Mannes feiern wollten, entpuppte sich als Tragödie einer Überschätzung. Das ist die gängige Lesart der wahren Begebenheit um Donald Crowhurst. James Marsh („Die Entdeckung der Unendlichkeit“) setzt sie leider genauso um. Colin Firth verkörpert mit Wehmut im Gesicht einen Mann, den widrige Umstände dazu treiben, sich auf Dinge einzulassen, die er nicht mehr im Griff hat. Rachel Weisz gibt das Idealbild einer liebenden Ehefrau. Ihre drei Kinder sind selbstverständlich Fans ihres Vaters, während die Presse- und Sponsoren­gestalten sämtlich schmierig agieren.

Die Welt der 60er-Jahre wird willentlich bunt inszeniert, bleibt aber ohne zeitgenössische Referenzen. So konventionell präsentiert Marsh das ungewöhnliche Schicksal, dass man kaum begreift, was ihn daran eigentlich interessiert hat. Man bleibt trotzdem dran, und das liegt einmal mehr an Colin Firth: Er verleiht seiner Figur so viel Seele, Zweifel und Zwiespältigkeit, dass sich der wahre Reichtum der Geschichte in seinem Spiel immerhin andeutet.

„Vor uns das Meer“ GB 2018, 102 Min., ab 6 J., R: James Marsh, D: Colin Firth, Rachel Weisz, David Thewlis, Mark Gatiss, täglich im Koralle, Passage; www.studiocanal.de/kino/vor_uns_das_meer