Drama „1000 Arten, Regen zu beschreiben“ birgt Konflikte

Mit Kuchen und Kerzen stehen Vater Thomas (Bjarne Mädel), Mutter Susanne (Bibiana Beglau) und Schwester Miri (Emma Bading) vor Mikes Tür. Freundlich kichernd stimmen sie ein Geburtstagsständchen an. Daraufhin wird hinter der Tür ein Heavy-Metal-Song aufgedreht. Thomas, Susanne und Miri sind irritiert, singen aber einfach lauter, als handle es sich um einen Scherz. Aber es ist kein Scherz. Der 18-jährige Mike (den man im Film nie sieht) hat Ernst gemacht, sich in seinem Zimmer eingeschlossen und jeden Kontakt mit der Außenwelt aufgegeben. Nicht ganz. Ab und zu schiebt er Zettel mit Wetterberichten durch die Tür.

Regisseurin Isabel Prahl und Drehbuchautorin Karin Kaci machen aus dem Phänomen, das man bereits als Bewegung beschreibt und vor allem in Japan Tausende Beispiele hat, ein melancholisches Familiendrama. Nicht etwa Mike und seine Weltverweigerung stehen im Blick, sondern die Auswirkungen, die das Ganze auf den Rest der Familie hat. Ohne sich eingeschlossen zu haben, finden auch sie sich in einer seltsamen Form der Gefangenschaft wieder. Mike bestimmt das Muster ihrer Handlungen, obwohl er nichts tut.

Mit viel Gespür für Stimmungen und gemischte Gefühlslagen zeigt Prahl, wie Mikes Abwesenheit die Familie zunächst auseinanderdriften lässt, weil jeder woanders die als schmerzlich empfundene Lücke füllen will. Vater Thomas, der Schwerbehinderten Gehhilfen anpasst, wirft sich ins Zeug, um einem im Locked-in-Syndrom verharrenden Patienten die Kommunikation mit der Außenwelt zu eröffnen. Mutter Susanne freundet sich mit einem von Mikes Klassenkameraden an. Und Miri sucht verzweifelt Anschluss und Anerkennung unter Gleichaltrigen.

Nicht alle Stränge überzeugen – besonders Miris Sextape-Abenteuer folgen arg schlagzeilenträchtigen Mustern. Doch die drei Hauptdarsteller machen die Phasen von Leugnung, Aufbegehren und Trauer, die Thomas, Susanne und Miri einzeln durchlaufen, wunderbar sichtbar. So nahe bringen sie dem Zuschauer die Konflikte ihrer Figuren, dass man am Ende selbst an Mikes Tür rütteln und laut „Rauskommen!“ schreien will.

„1000 Arten, Regen zu beschreiben“ D 2017, 90 Min., ab 12 J., R: Isa Prahl, D: Bjarne Mädel, Bibiana Beglau, Emma Bading, täglich im Abaton