Berlin.

Verurteilte Mörder und Vergewaltiger liegen in Norwegen bei gutem Wetter auf der Veranda und lassen sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Jedenfalls im wohl liberalsten Knast der Welt, der Gefängnisinsel Bastøy. Dort gibt es weder Zäune noch Mauern, keine Gitter und keine verschlossenen Türen. Das Konzept heißt Selbstkontrolle: Die knapp 100 Straftäter leben in einer Dorfgemeinschaft. Sie schlafen in bunt bemalten Holzhütten, können in der Kirche beten und im Supermarkt von ihrem Taschengeld einkaufen, sie bauen Kartoffeln an und kümmern sich um ein paar Milchkühe.

Was wie Urlaub klingt, loben manche Strafrechtsexperten allen Ernstes als vorbildliches Modell. Denn in Norwegen werden nur 25 Prozent der Insassen nach ihrer Entlassung rückfällig. In Deutschland funktioniert die Resozialisierung weniger gut, die Rückfallquote liegt doppelt so hoch. Können sich deutsche Haftanstalten von Ländern wie Norwegen etwas abschauen? Mitarbeiter von Vollzugsanstalten berichten von zahlreichen Problemen: Spektakuläre Ausbrüche beherrschen immer wieder die Schlagzeilen, viele Gefängnisse sind überbelegt – im Schnitt kommen knapp 88 Insassen auf 100 Haftplätze, heißt es in einer jüngst vom Straßburger Europarat vorgestellten Studie. Der Verband der Strafvollzugsbediensteten beklagt: „Es gibt kein Bundesland, das ausreichend mit Personal bestückt ist.“ Ein Blick in andere Länder zeigt, wie Strafvollzug in Zukunft aussehen könnte.

Haft ist auch ohne Kerkeratmosphäre eine harte Strafe – das ist der Gedanke, der hinter Bastøy steht. Die Bestrafung bestehe darin, von Freunden und Familie getrennt zu werden, erklärt Direktor Arne Nilsen, wenn Pressevertreter ihn nach den Bedingungen auf der Insel fragen. Es sei die wichtigste Aufgabe des Strafvollzugs, Häftlinge auf die Zeit nach ihrer Entlassung vorzubereiten. Diese Haltung hat nicht nur in Norwegen System. Die skandinavischen Länder setzen seit vielen Jahren auf einen moderaten Strafvollzug. In Deutschland hingegen gibt es zwar einen offenen Vollzug, einen Anspruch darauf haben Gefangene jedoch nicht.

Neben der Rechtslage halten Fachleute die Architektur für einen wichtigen Faktor. Viele deutsche Anstalten sind Altbauten aus dem 19. Jahrhundert. In Österreich entschloss man sich vor mehr als zehn Jahren zum ersten Gefängnisneubau seit den 1970er-Jahren. Zunächst gab es viel Kritik aus der Bevölkerung an dem „Design-Gefängnis“ Leoben: Zu schick sei es und zu teuer. Mittlerweile preisen Vertreter anderer Gefängnisse Leobens Vorbildcharakter. Lichtdurchflutete Hallen und Flure sorgen für eine angenehme Atmosphäre, schalldämpfende Böden und Wände für Stille. Das wirke sich nicht nur positiv auf die Psyche der Häftlinge, sondern auch auf die der Bediensteten aus, heißt es – „jeder Mitarbeiter ist ja länger im Gefängnis als die Insassen“.

Überhaupt müsse man Gefängnisse entlasten, fordert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Sein Land beklagt ähnliche Probleme wie Deutschland, deshalb hat er gerade eine Reform des Strafvollzugs angekündigt. Jährlich werden dort 100.000 Kurzstrafen von weniger als sechs Monaten verhängt. Diese Verurteilten möchte Macron nicht mehr im Gefängnis sehen. Sie sollen mit elektronischen Fußfesseln unter Hausarrest gestellt werden.

Angst vor einerHerrschaft der Terminatoren

Derart futuristische Zustände wie in manchen anderen Ländern sind im deutschen Strafvollzug indes undenkbar. Besonders fortschrittlich geht es in Südkorea zu. Dort helfen Roboter den Bediensteten. Anderthalb Meter hoch und 70 Kilo schwer, patrouillieren die Maschinen durch die Gänge und kon­trollieren Gefangene mithilfe von Sensoren, Kameras und Mikrofonen. Zunächst weckten sie Ängste. „Diese Roboter sind keine Terminatoren“, versicherte der Chefentwickler vor der ersten Testphase. Deshalb habe man ihnen ein menschliches und freundliches Äußeres verpasst.