Blankenese. Sanierung des Gebäudes lohnt sich nicht. Deshalb plant 75-Jährige altersgerechten Neubau in Blankenese. Doch die Behörde stellt sich quer

Prächtige Villen mit großen Gärten: So sieht ein großer Teil Blankeneses aus. Doch das Viertel hat auch andere Seiten, wie ein Besuch bei Adelheid Angelkort beweist. Die Blankeneserin lebt seit 28 Jahren in ihrem kleinen Einfamilienhaus an der Straße Willhöden. Hier hat die alleinstehende Bi­bliothekarin ihren Sohn großgezogen, Geburtstage gefeiert und den überschaubaren Garten gehegt. Heute ist sie 75 Jahre alt. Die Zeit ist an ihrem 1933 erbauten Haus nicht spurlos vorübergezogen. Wer das 80 Quadratmeter große Zuhause der agilen Senioren betritt, bekommt einen Schreck.

Überall ist Schimmel. Hinter der Garderobe, im Keller, an den Wänden in der Küche, hinter dem Bücherregal – sogar an den Wänden im Wohnzimmer zieht sich eine dunkle Spur entlang. Die Feuchtigkeit hat sich nicht nur in den Ecken abgesetzt, sondern findet sich auch in Form unzähliger kleiner braun-gelber Punkte an der Flurwand wieder.

In der Wohnung, die sich über drei Ebenen erstreckt, ist es sehr kühl. Die Wände sind dünn. „An den richtig kalten Tagen kam die Heizung nicht mehr hinterher“, berichtet Angelkort. Obwohl sie die Temperatur an der Gasheizung hochgeregelt habe, habe sich die Wohnung lediglich auf 14 Grad Celsius erwärmt. „Ich habe mehrere Schichten Kleidung angezogen und war froh, wenn die Sonne durchs Fenster schien“, so die Seniorin.

Rund 3000 Euro zahle sie pro Jahr an Heizkosten. Dabei muss die Blankeneserin mit einer kleinen Pension auskommen. Obwohl an dem Haus laut Angelkort auch einmal etwas gemacht wurde, ist der Zustand heute schlecht. Ein Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass da nur ein Abriss sinnvoll ist. Demnach berechnet sich der Restwert des Hauses auf 70.000 Euro, eine Sanierung würde etwa 330.000 Euro verschlingen. Abreißen will auch Angelkort, doch sie darf es nicht. Das Problem: Das Schimmelhaus steht seit Kurzem unter Milieuschutz. Dabei plante sie zusammen mit ihrem Sohn, das alte Haus gegen einen Neubau zu ersetzen. Im barrierefreien Erdgeschoss sollte die 75-Jährige einziehen, in die Wohnung darüber mittelfristig ihr Sohn, der noch mit seiner Familie in Frankfurt lebt, sich aber um seine Mutter im Alter kümmern möchte. Die 75-Jährige hatte schon eine neue Wohnung, in die sie übergangsweise ziehen wollte; ein Umzugsunternehmen stand parat, und sogar ein neuer Telefonanschluss war in Auftrag gegeben.

Offensichtlich hatte niemand, auch nicht beim beauftragten Bauunternehmen, mit dem Veto des Bezirksamtes gerechnet. Das kam aber Ende vergangenen Jahres. Das Amt versagte die nötige Abrissgenehmigung mit Hinweis auf den Milieuschutz, unter dem das Haus seit 2016 steht. „Das war ein Schock“, sagt die Blankeneserin. „Seitdem schlafe ich schlecht. Mit der Entscheidung ist meine ganze Zukunftsplanung zum Teufel.“ Das Haus sei immer als Altersvorsorge gedacht gewesen. Schon beim Kauf vor 28 Jahren habe sie im Hinterkopf gehabt, dass zumindest die Option besteht, es abzureißen. Die gab es auch tatsächlich – bis der Bebauungsplan geändert wurde.

CDU, Grüne und Linke wollen Ausnahmegenehmigung

2016 wurde für den Bereich eine neue städtebauliche Erhaltungsverordnung festgelegt. Das Haus gilt demnach als ortsprägend und genießt wie die Nachbarhäuser vom Sülldorfer Kirchenweg ab Wulfsdal bis zur Straße Siebenbuchen und Richtung Hasenhöhe Milieuschutz. Grund für die Änderung des Bebauungsplans waren die vielen Bauaktivitäten in der Nachbarschaft. Inves- toren kauften Grundstücke auf, rissen Altbauten ab und ersetzten sie durch große Neubauten. So verschwand das Einfamilienhaus an der Ecke Willhöden/Sülldorfer Kirchenweg und wurde durch ein großes Mehrfamilienhaus ersetzt. Ein paar Hundert Meter weiter wich ein Haus auf großem Grundstück einer modernen Reihenhauszeile. Aus dem Fenster blickt Adelheid Angelkort auf Baukräne, wo vorher ein Altbau stand. Nur Angelkort darf nicht bauen.

„Ich habe den Eindruck, dass an uns ein Exempel statuiert werden soll“, sagt sie. Dabei wolle sie doch gar kein großes Investorenprojekt auf ihrem 700 Qua­dratmeter großen Grundstück realisieren. Sondern mit ihrem Sohn ein Mehrgenerationenhaus bauen, „Damit ich in Blankenese wohnen bleiben kann“, sagt sie. Und ihr Sohn Asmus Angelkort kritisiert: „Bei schönen prägenden Gebäuden kann ich das verstehen. Aber es handelt sich hier um ein altes Siedlungshaus. Das ist doch in keiner Weise prägend für Blankenese. In Hamburg herrscht Wohnungsnot, und gleichzeitig sollen die Elbvororte als Museumsdorf erhalten werden. Das ist absurd.“

Rückendeckung bekommt die Familie von großen Teilen der Bezirkspolitiker. Sie sprechen sich für eine Ausnahmegenehmigung aus. Bislang ohne Erfolg. Hinter den Kulissen tobt ein Streit zwischen Politik und Verwaltung. „Ein Museumsdorf soll und wird Blankenese nicht sein. Wir wollen die Villenstruktur erhalten, aber gleichzeitig muss eine Entwicklung möglich sein“, sagt Sven Hielscher für die CDU, die sich zusammen mit Grünen und Linken für die Ausnahmegenehmigung einsetzen. Mit dem Fall beschäftigte sich sogar die Bezirksversammlung in ihrer jüngsten Sitzung. Ohne Ergebnis. Das Thema wurde erneut vertagt und soll nun im kommenden Bauausschuss endgültig geklärt werden.