Berlin.

50 Millionen Nutzerkonten oder mehr – so viele persönliche Datensätze bei dem sozialen Netzwerk Facebook soll die britisch-amerikanische Firma Cambridge Analytica ohne Einverständnis der Kunden ausgewertet haben, um die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten und die Anti-EU-Kampa­gne in Großbritannien zu unterstützen. Bundesjustizministerin Katarina Barley hat deshalb Facebook-Manager ins Ministerium bestellt. Unternehmenschef Mark Zuckerberg entschuldigte sich am Mittwoch. Doch im Netz kursierten zahlreiche Aufrufe an Nutzer, Facebook zu löschen – darunter auch Brian Acton, der WhatsApp mitgegründet hat. Ein neues Gesetz könnte es Nutzern erleichtern, Facebook den Rücken zu kehren.

Die Rechte der Nutzer

Ab Mai haben alle Nutzer sozialer Netzwerke das Recht, ganz einfach mit ihren Profilen zu anderen Anbietern zu wechseln – wie das beim Strom- oder Telefonvertrag heute schon möglich ist.

Für Firmen wie Facebook stellt das eine Herausforderung dar. Bisher können Nutzer ihre Konten zwar deaktivieren und löschen. Aber dann ist aus ihrer Sicht alles verloren – sämtliche Partyfotos, aufmunternde Kommentare von Freunden, Infos zur neuen TV-Serie, die Kontakte zu Kollegen und Familie. Deswegen blieben viele Nutzer bei Facebook – auch wenn sie die Praktiken der kalifornischen Firma kritisieren.

In ein paar Wochen allerdings ändert sich das: „Dann müssen sogenannte Datenverarbeiter ihren Kunden auf deren Wunsch die persönlichen Daten zur Verfügung stellen und ihnen den Wechsel zu anderen Anbietern ermöglichen“, sagt Christine Steffen, Juristin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Das neue Gesetz

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der Europäischen Union tritt am 25. Mai 2018 in Kraft. Darin gibt es den Artikel 20 zur Datenübertragbarkeit. Dort heißt es, dass jeder das Recht hat, seine Daten „in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten“ und „sie einem anderen ohne Behinderung zu übermitteln“. Das gilt nicht nur für soziale Netzwerke, sondern auch für Datenverarbeiter wie E-Mail- und Messenger-Dienste, Foto-Plattformen oder Kfz-Versicherungen.

Bei der neuen EU-Verordnung geht es nicht nur um Datenschutz, sondern auch um Wettbewerb. Mit seinen bis zu zwei Milliarden Nutzern weltweit hat Facebook heute eine monopolistische Stellung, Konkurrenten haben am Markt kaum eine Chance. Das Recht zu wechseln könnte das ändern.

Das Netzwerk wechseln

Wenn sie wechseln wollen, können Nutzer das von Facebook künftig verlangen. Im jeweiligen Profil sollte es dafür einen leicht auffindbaren Befehl geben. Für die Identifikation als Besitzer des Profils werden beispielsweise die persönliche E-Mail-Adresse und das Passwort ausreichen. Solche Details sind allerdings noch nicht klar, sagt VZ-Mitarbeiterin Steffen. „Sie stehen nicht in der Verordnung und werden sich erst in der Praxis zeigen.“ Facebook ist gegenwärtig nicht bereit, Informationen dazu mitzuteilen.

Im nächsten Schritt muss das soziale Netzwerk den wechselwilligen „Nutzern alle diejenigen Daten als Kopie zu Verfügung stellen, die diese selbst dem Verarbeiter bereitgestellt haben“, sagt Dirk Hensel, der Sprecher der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff. Darüber, welche das genau sind, wird es Debatten geben. Klar erscheint, dass jeder die Daten erhalten muss, die er oder sie selbst eingetragen hat – beispielsweise alle Infos in der sogenannten Timeline (der Facebook-Biografie), alle eigenen Nachrichten, Fotos, Kommentare und Likes. Ob allerdings auch die Antworten der Freunde dazugehören, ist fraglich. Das werde sich erst später im Umgang mit der Verordnung klären, meint VZ-Juristin Steffen.

Facebook ist verpflichtet, die Daten so zu verpacken und transportabel zu machen, dass andere Anbieter sie in ihre Systeme einbauen können. Für die Nutzer wichtig ist dabei: „Die portierten Daten werden beim Datenverarbeiter nicht automatisch als Folge der Portierung gelöscht“, wie Hensel erklärt. Das zur Konkurrenz übertragene Profil existiert bei Facebook also weiter. Denn es gibt ja Leute, die in mehreren Netzwerken gleichzeitig aktiv sein wollen.

Das Profil löschen

Wem dagegen daran liegt, einen deutlicheren Schnitt zu ziehen, der kann sein Profil mit dem in den Konto-Einstellungen enthaltenen Befehl „deaktivieren“, quasi stillegen. Es ist für andere nicht mehr sichtbar, sämtliche Daten, Beiträge und Chats bleiben aber auf den Facebook-Servern erhalten. Wenn man seine Facebook-Präsenz komplett beenden will, sucht man in der Hilfefunktion nach „Konto löschen“ und klickt dann im angezeigten Text auf „... teile es uns mit“. Bis alle Daten gelöscht werden, können hier laut Facebook bis zu 90 Tage vergehen. Einige Daten bleiben auch weiterhin erhalten, etwa Chatnachrichten.

Was Facebook über mich weiß

Nutzer können sich anzeigen lassen, welche persönlichen Daten Facebook gesammelt hat. In den Einstellungen ist unterhalb der allgemeinen Kontoeinstellungen ein unscheinbarer Link namens „Lade eine Kopie deiner Facebook-Daten herunter“. Wer ihn anklickt, wird auf eine neue Seite geleitet, auf der die Zusammenstellung des persönlichen Facebook-Archivs eingeleitet werden kann. Nach Eingabe des Passworts landet wenige Minuten später ein Download-Link im Posteingang der bei Facebook hinterlegten E-Mail-Adresse.

In dem persönlichen Archiv sind unter anderem alle gegenüber Facebook gemachten Angaben zu sehen, aber auch alle Chats mit Freunden und Bekannten, Veranstaltungen und Vorlieben. Auch die zu Werbezwecken gesammelten Interessen sind gelistet. Die Dateien in dem heruntergeladenen Archiv können mit einem beliebigen Browser (etwa Chrome, Edge oder Firefox) angesehen werden.