Josef BierbichlersRomanverfilmung„Zwei Herren im Anzug“ erzählt das Schicksal einer bayerischen Familie von 1914 bis 1984

Drei Generationen, viele Schicksale: In „Zwei Herren im Anzug“ erzählt Josef Bierbichler von einer oberbayerischen Wirtsfamilie, eingebettet in die historischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts. Zwei Weltkriege, der National­sozialismus und die Nachkriegszeit zwischen Wirtschaftswunder und Studen- tenprotesten. Rund um den Gastwirt Pankraz, gespielt von Bierbichler selbst, entsteht ein historischer Bogen: von dessen Kindheit um 1914 bis ins Jahr 1984. Der Schauspieler hat den Film nach Motiven seines Romans „Mittelreich“ auch selbst inszeniert.

„Zwei Herren im Anzug“ ist ein spannendes Generationenporträt, mit Wucht, aber auch mit großer Leichtigkeit erzählt. Dazwischen immer wieder Momente stiller Melancholie und zarter Poesie. Das liegt an der großartigen Leistung von Schauspielerinnen wie Martina Gedeck oder Irm Hermann, ebenso an wunderbaren Bildern von Tom Fährmann. Ruhig fängt dessen Kamera die Landschaft am Chiemsee ein, mal sonnenflirrende Postkartenidylle, mal dunkel-bedrohliche Kulisse. Wie in Zeitlupe perlen Wasserblasen. Dazwischen Musik: Mozart, Verdi, Wagner und die Band Kofelgschroa.

In diesem Drama liegt alles nah beieinander: Hass und Liebe, Freude, Angst und kleinliche Streitereien. Die Tradition und das Familienerbe mal als Rückhalt, dann wieder als unerträgliche Bürde, von der man sich aber nicht befreien kann. Verwirrende Gefühle, wie in Pankraz selbst. Als Jugendlicher träumt er von einer Karriere als Sänger. Doch statt den Lohengrin auf großer Bühne zu singen, muss er den elterlichen Gasthof übernehmen. Eine Pflicht, die seine dunkelsten Seiten zutage treten lässt. Nur die Ehe mit Theres (Gedeck) macht ihn glücklich. Doch zu seinem Sohn Semi (Simon Donatz) kann er keine Beziehung aufbauen.

Als Theres 1984 stirbt, sitzt Pankraz mit dem erwachsenen Semi nach der Beerdigung in der leeren Wirtsstube. Beide ringen um Worte, bis Pankraz mithilfe alter Fotos seine Erinnerungen auspackt. Anfangs zeigen die Rückblenden seine Sicht der Dinge, dann erzählt Semi. Die Kindheit in der Wirtschaftswunderzeit. Oder die Zeit im Internat, als ihn ein Lehrer zu befremdlichen Spielchen zwang. Donatz ist auch real Bierbichlers Sohn.

Doch der Film ist nicht die Geschichte ihrer Familie, auch wenn Bierbichler aus einer Wirtssippe am Starnberger See stammt. Die Figuren seien zusammengebaut aus verschiedenen Personen und Ereignissen, hat der Regisseur erklärt. Die Spannungen zwischen den Generationen spart der Film nicht aus, etwa beim Thema Nationalsozialismus. Wie war die Haltung der Familie? Das fragt auch Semi, und Pankraz antwortet ehrlich: „Ich war zwar nie ein Nazi. Doch kein Nazi war ich nie.“ Ein Spruch, den der 1948 geborene Bierbichler so von seinem Vater hörte.

Und woher der Titel des Filmes stammt, in dem der Theaterregisseur Johan Simons und der Schauspieler Peter Brombacher als „Zwei Herren im Anzug“ auftreten? Tatsächlich tauchen die beiden immer wieder auf. Doch wer sie sind, woher sie stammen, das müssen die Zuschauer selbst herausfinden.

„Zwei Herren im Anzug“ D 2017, 139 Min., ab
12 Jahren, R: Josef Bierbichler D: Martina Gedeck, Irm Hermann, Simon Donatz, täglich im Holi, Koralle-Kino, Passage