Nienstedten . Premiere im Elbvorort: Der Stadtteil bekommt sozial geförderten Wohnraum

Es ist ein trauriger Rekord, den Nienstedten bislang hielt. Wenn es um das Thema sozial geförderter Wohnraum ging, konnte der Stadtteil im Unterschied zu allen anderen in den Elbvororten über Jahrzehnte keine einzige Wohnung aufweisen. Einmal pro Jahr veröffentlicht das Statistische Landesamt eine Auswertung, in der auch diese Zahl aufgeführt wird. 2018 kann für Nienstedten nun erstmals die Null in der Spalte verschwinden. Denn seit einigen Monaten sind dort die ersten Sozialwohnungen fertig und bezogen.

Der Bebauungsplan wurde für das Projekt extra geändert

Hinter der Gärtnerei Cords finden sich die beiden Mehrfamilienhäuser. Während in dem einen Teil acht Wohnungen zwischen 85 bis 120 Quadratmeter für den freien Markt entstanden sind, wurden in dem anderen Haus die sozial geförderten Wohnungen geschaffen. Dabei handelt es sich ebenfalls um acht Wohneinheiten, die zwischen 75 und 85 Quadratmeter groß sind. Errichtet wurden sie von einem privaten Investor. Der Bebauungsplan wurde dafür geändert, einige der alten Gewächshäuser sind gewichen. Perspektivisch lässt der neue Bebauungsplan auch den Abriss der Gärtnerei an der Cordsstraße sowie den Bau von Einfamilienhäusern zu.

Das Bauprojekt samt Sozialwohnungen stieß nicht überall auf Begeisterung. Einige Nachbarn wehrten sich juristisch gegen den Neubau. Am Ende einigte man sich auf einen Kompromiss und die Bepflanzung von hohen Tannen zur Abgrenzung. Sehr glücklich und erleichtert, ist dagegen Tatjana Goralsky, eine der neuen Bewohnerinnen. Die 47-Jährige zog mit ihren beiden Kindern ein. Ihr fiel ein Stein vom Herzen, als sie den Zuschlag für die letzte noch freie sozial geförderte Wohnung erhielt. Zuvor hatte die alleinerziehende Mutter, die eine Heilpraktikerpraxis in Blankenese betreibt und für einen sozialen Träger in Altona in Festanstellung tätig ist, verzweifelt nach einer passenden Wohnung im Hamburger Westen gesucht: „Es ist so schwierig, hier in der Gegend etwas Bezahlbares zu finden.“

Aus ihrer Wohnung in Blankenese musste sie wegen Eigenbedarfs des Vermieters ausziehen. Anfang 2017 begann sie mit ihrer Suche. Im April verschärfte sie die Anstrengungen weiter. Zuletzt habe sie sich fast nur noch darum gekümmert, bis sie durch Zufall von den Wohnungen in Nienstedten erfuhr und Ende 2017 dann einziehen durfte.

Obwohl sie ihr Netzwerk aus Freunden und Bekannten einschaltete, Immobilienanzeigen studierte, bei den Wohnungsgenossenschaften anfragte und ihre Kriterien immer weiter aufweichte, gab es in der ganzen Zeit überhaupt nur zwei weitere Wohnungen, die sie sich ansehen durfte. Bei der einen handelte es sich um eine Saga-Wohnung. „Beim öffentlichen Besichtigungstermin ging die Schlange der Interessenten bis zur Straße, und ich war zwanzig Minuten vor dem offiziellen Beginn um sieben Uhr da“, erinnert sich Goralsky. Die zweite Wohnung war von einem privaten Vermieter. Allerdings fiel die Wahl auf einen anderen Interessenten, vermutlich ein Paar, bei dem beide verdienen.

„Ich war schon so weit, darüber nachzudenken, in eine andere Stadt zu ziehen“, erinnert sich die 47-Jährige, die am Ende bis Holm suchte. „Das hätte aber große Einschränkungen für uns bedeutet“, so Goralsky. Nun wohnt sie weiter im Hamburger Westen und zahlt 8,50 Euro den Quadratmeter, genau wie die anderen Bewohner. Mit denen versteht sich Goralsky sehr gut. Denn viele sind in einer ähnlichen Lebenssituation wie sie. Knapp die Hälfte der Wohnungen wurde an alleinerziehende Mütter vergeben, die sich nun auch mal auf einen Wein treffen und über ihre Sorgen austauschen. „Die Hausgemeinschaft ist sehr gut“, freut sich Goralsky.

Erleichtert über den neuen sozialen Wohnraum ist auch die Politik. „Es ist ein zentrales Ziel der sozialdemokratischen Wohnungsbaupolitik in Hamburg, insbesondere bezahlbaren Wohnraum zu schaffen“, sagt der SPD-Bezirksabgeordnete Wolfgang Kaeser aus Nienstedten, der das Projekt begleitete. „Ich freue mich ganz besonders, dass es uns gerade auch in Nienstedten für sechs Familien gelungen ist, in bester Lage eine bezahlbare Wohnung zu finden.“