Köln.

Vitamin-Tabletten, Pülverchen zum Anrühren und mal ein Brei aus dem Schlauch: Unter „Astronautenessen“ stellt sich der gemeine Erdenbewohner so einiges vor, doch Genuss gehört ganz sicher nicht dazu. Doch das stimmt heute so nicht mehr: Wenn der deutsche Astronaut Alexander Gerst am 6. Juni zum zweiten Mal in den Weltraum aufbricht, dann wird er sich nicht nur auf seine spannende Aufgabe als Kommandant der Internationalen Raumstation freuen können, sondern auch auf sechs eigens für ihn gekochte Leibgerichte.

Welche genau, das zeigten die Europäische Weltraumagentur (Esa) und die Lufthansa-Catering-Tochter LSG Group am Montag gemeinsam im Europäischen Astronautenzentrum in Köln.

Kässpätzle, Maultaschen mit Spinat oder Linsen mit Spätzle und Saitenwürstle – Alexander Gerst liebt es offenbar bodenständig. Insgesamt sechs dieser Gerichte, verpackt in flachen Konservendosen, reisen bereits in den kommenden Wochen als sogenanntes Bonus Food zur ISS. Das sind besondere Leckereien, die nur etwa einmal im Monat auf dem Speiseplan der Raumfahrer stehen. Wenn im Juni die „Horizons“-Mission startet, sind Gersts Dosen mit indischem Butter-Hähnchen oder einem Zwetschgen-Dessert schon längst oben, sagt LSG-Chefkoch Jörg Hofmann.

Astronautenessen zuzubereiten ist anspruchsvoll

Hofmann entwickelt normalerweise Menüs, die Fluggästen in 10.000 Meter Höhe gereicht werden. Essen für Astronauten ist auch für ihn neu: „Das war eine große und spannende Herausforderung für uns – aber wir haben dabei viel gelernt.“

Vor allem das Garen verlief ganz anders als üblich. Statt im Ofen oder Dampfgarer wurden die Gerichte im sogenannten Autoklav zubereitet – einem Gerät, in dem Essen unter Druck sehr präzise auf gewünschte Temperaturen erhitzt und wieder abgekühlt werden kann. „Wir mussten für jedes Gericht individuell herausfinden, unter welcher Temperatur für wie lange die Gerichte gegart und wie schnell sie jeweils aufgeheizt und wieder abgekühlt werden durften. Das war sehr komplex“, so Hofmann.

Dabei musste einerseits gewährleistet sein, dass die Gerichte ungekühlt mindestens zwei Jahre haltbar sind, wie es die Esa fordert, andererseits sollten möglichst viele Mikronährstoffe – also etwa Vitamine und Mineralstoffe – erhalten bleiben. Ein kulinarischer Balanceakt.

Gerst habe alle Menüs anschließend getestet und für gut befunden. Ob sie ihm auf der ISS genauso munden werden, ist nicht klar: In der Schwerelosigkeit schmecke es anders als auf der Erde, sagte Raumfahrtmediziner Guillaume Weerts bei der Präsentation des „Space Foods“ in Köln. „Die Geschmacksempfindungen ändern sich. Warum, ist noch nicht genau geklärt.“

Deshalb war besonders das Abschmecken eine Herausforderung, sagt Hofmann. „Wir kennen das natürlich vom Flugzeug – auch da schmeckt das Essen eher fad, weshalb stärker gewürzt werden muss. Im Weltraum ist dieser Effekt noch stärker – gleichzeitig gibt es die ernährungsphysiologische Vorgabe, eher weniger Salz zu verwenden. Da musste man dann einen guten Mittelweg finden.“

Natürlich haben die Mahlzeiten auch einen psychologischen und sozialen Aspekt, sagt Reinhold Ewald, der 1997 selbst ins All geflogen war. Bei „Horizons“ soll das Team in einem straffen Plan wissenschaftliche Experimente durchführen. „Mag sein, dass man sich da gar nicht über den Weg schwebt“, so Ewald.

Gemeinsames Speisen von Zeit zu Zeit sei umso wichtiger. Dafür rückt der Kommandant dann sein Bonus Food raus und lädt die Crew ein. Auch die anderen fünf Mitglieder haben ihre eigenen Container mit Lieblingsessen. Eine Gegeneinladung dürfte also folgen.

Bevor Alexander Gerst seine schwäbischen Spezialitäten anbieten kann, muss er sie aber zunächst „kochen“. Das bedeutet in der ISS-Küche: die Dose zwischen zwei Wärmeplatten spannen und 30 Minuten warten – dann kann aufgetischt werden. Spätzle satt gibt es dann wohl aber nicht. Jede Konserve Bonus Food enthalte etwa 200 bis 220 Milliliter, sagt Hofmann. Sattessen geht dann eher mit den 16 Standardmenüs, die der Crew für die täglichen Mahlzeiten zur Verfügung stehen.

Nach dem Aufräumen verglüht der Müll in der Atmosphäre

Daneben gibt es auch Snacks, Nüsse, Getränke. Säfte, Tee und Kaffee sind in pulverisierter Form an Bord. Die Astronauten geben Wasser hinzu und trinken mit Strohhalmen. Wenn sich mal Krümel oder Reiskörner selbstständig machen, werden die spätestens am Putztag wieder aufgesammelt, erläutert die Esa. Ja, auch auf der ISS werde aufgeräumt wie in einer gut funktionierenden Wohngemeinschaft. Und wer bringt den Müll runter? Die Dosen und Päckchen werden komprimiert in Säcke verstaut und diese dann in einem sogenannten ATV-Vehikel – quasi einem fliegenden Müllcontainer – ins All geschickt. Dann verglüht alles in der Erdatmosphäre.

Kulinarisch müssen sich die Erdenbürger also keine Sorgen um die Raumfahrer machen. Die Ernährung der Astronauten sei tatsächlich immer besser und reicher an Variationen geworden, versichert Ewald. Die Zeiten mit einem unansehnlichem Etwas aus der Tube seien definitiv vorbei. Der ESA-Experte betont: „Essen hält Leib und Seele zusammen, das gilt auch ganz da oben.“