Berlin.

Weltweit haben rund 815 Millionen Menschen nicht genug zu essen. Allein in Deutschland sind rund 1,5 Millionen auf Lebensmittelspenden angewiesen. Doch Essbares zu spenden, ist oft kompliziert. Organisationen wie die Tafeln, die Diakonie, das Deutsche Rote Kreuz oder die Caritas müssen aus hygienischen Gründen sorgfältig auswählen, was als Spende infrage kommt. Nicht überall gibt es dafür genügend freiwillige Helfer. Wer nur kleine Mengen abgeben will, bleibt teils darauf sitzen.

Das Berliner Start-up Sharefoods will die Lebensmittelspende vereinfachen. Wer sich ein Produkt der Marke „share“ kauft, spendet damit auch ein Lebensmittel für Bedürftige. „1+1-Prinzip“ nennen es die Gründer, die sich mit Schauspielern wie Kostja Ullmann, Karoline Herfurth oder Max von der Groeben prominente Unterstützung geholt haben. Ab heute stehen die Produkte bundesweit in den Regalen von 5000 Filialen der Drogerie- und Einzelhandelsriesen dm und Rewe. Es soll der bisher größte Launch einer sozialen Lebensmittelmarke in Deutschland werden.

„Der plakative Titel hält nicht ganz, was er verspricht“

Die Idee hinter „share“ klingt simpel. Es gibt nur drei Produktkategorien: Müsliriegel, Flüssighandseife und Wasser. Jeder Verbraucher, der zugreift, spendet automatisch mindestens die gleiche Menge Nahrung, Wasser oder Seife an eine bedürftige Person. Auf jedes „Share“-Produkt ist ein QR-Code gedruckt. Scannen Käufer diesen mit ihrer Handykamera, verrät ihnen eine Karte anschließend genau, wo auf der Welt ihre Spende ankommt und welche Organisation sie dort verteilt. Derzeit können das sechs Länder sein, wie Mitgründer Sebastian Stricker erklärt: „Deutschland, Bangladesch, Liberia, Kambodscha, der Senegal und Äthiopien“. Als Kooperationspartner sind bislang das World Food Programme (WFP) der Vereinten Nationen (UN), die „Aktion gegen den Hunger“ sowie die Berliner Tafel dabei. Bald sollen es noch mehr werden. „Wir haben sehr viele Anfragen von Hilfsorganisationen, die sich beteiligen wollen“, sagt Stricker.

Der Österreicher ist gut vernetzt, arbeitete bis 2017 selbst für die UN und gründete in dieser Zeit die Initiative „ShareTheMeal“. Die App ist mittlerweile Teil des WFP. Mit einem Klick können Nutzer hier Mahlzeiten für Kinder in Krisenregionen finanzieren. Davon profitieren laut UN derzeit rund 20.000 Kinder täglich.

Die Marke „share“ soll allerdings anders als die rein spendenfinanzierte App funktionieren. Ziel der Gründer ist ein sogenanntes Social Enterprise – eine Mischung aus profitorientiert und gemeinnützig. Macht das Start-up Gewinne, profitieren auch die unterstützten Projekte, „machen wir aber Verluste, wird trotzdem für jedes verkaufte Produkt gespendet“, erklärt Stricker. Voraussetzung sei unter anderem, dass die Produkte sehr hochwertig sind und sich am Markt gegen Konkurrenten behaupten können.

So kommen die in drei Geschmacksrichtungen verfügbaren Müsliriegel nahezu jedem Ernährungstrend entgegen. Sie sind Bio-zertifiziert, glutenfrei und ohne Zuckerzusatz. Auch die drei verschieden duftenden Handseifen dürften bei auf Nachhaltigkeit bedachten Verbrauchern ankommen. Laut Verpackung sind sie vegan, frei von umstrittenen Stoffen wie Parabenen und Silikonen und verzichten auf aggressive Tenside. Eine Naturkosmetik-Zertifizierung soll folgen. Das „Share“-Wasser wird in den Alpen aus der Allgäu-Quelle gezapft, kommt in verschiedenen Größen, in still und prickelnd.

Allerdings stecken alle Produkte in Plastikverpackungen, „wir arbeiten bereits daran, das zu verbessern. Beim Mineralwasser sind es immerhin schon 25 Prozent recyceltes Plastik“, so Stricker.

Preislich sollen Seife, Wasser und Müsliriegel auf dem Niveau von Marken-Lebensmitteln und -Kosmetika liegen. „Aber der Anteil des Umsatzes, den andere Unternehmen in Marketing investieren, fließt bei uns größtenteils in die sozialen Interventionen“, erklärt Sebastian Stricker – etwa in Brunnenbauprojekte in den drei afrikanischen Ländern. Die schicken Produkte aus den deutschen Regalen werden dort nicht verteilt. „Das wäre nicht sinnvoll, für den Preis kann man den Bedürftigen ein Vielfaches an Nahrung und Wasser zur Verfügung stellen“, so Stricker.

„Der plakative Titel ,1+1-Prinzip‘ stimmt also nicht ganz mit dem überein, was man bekommt“, kritisiert Martin Acht, Experte für Institutionen- und Verhaltensökonomik am Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Am Ende gehe eine Geldspende an Projekte von Partnern vor Ort, mit einer tatsächlichen Lebensmittelspende etwa an die Tafeln sei das nicht vergleichbar. „Es stellt sich die Frage, inwieweit es sinnvoll ist, noch eine weitere Organisation dazwischenzuschalten, statt das Geld direkt an eine Hilfsorganisation zu spenden“, sagt Acht. Die meisten Menschen würden bei Spenden mit einem gewissen Budget kalkulieren. „Fließt die Spende nun in diese Produkte, fehlt die Spende einer anderen Organisation“, vermutet Acht. Der Spendentopf werde letztlich nicht größer.

Andererseits böten die Produkte aber auch Verbrauchern, die sonst nicht spenden, eine einfache Möglichkeit. „Die Forschung zeigt, dass sich die Spendenbereitschaft erhöht, wenn man genau weiß, wohin die Spende geht, dafür soll hier der QR-Code sorgen“, erklärt der Experte. Das sei bei Spenden an größere Organisationen nicht immer so transparent, „denn diese sind so flexibler, das Geld da einzusetzen, wo es gerade am dringendsten gebraucht wird“.

Ein weiterer Anreiz sei die Tatsache, dass man in Form des gekauften Produktes auch direkt etwas zurückbekomme. „Das Prinzip ,Buy One, Give One‘ ist vor allem im amerikanischen Raum verbreitet“, erklärt eine Sprecherin des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) auf Anfrage. „Über diesen Ansatz können Menschen erreicht werden, die sich sonst nicht vertieft mit sozialen oder entwicklungspolitischen Themen auseinandersetzen“, bestätigt sie. Das BMZ begrüße das Engagement von Sharefoods und seinen Partnern. „Im Kampf gegen Hunger und Mangelernährung bedarf es eines breiten Bündnisses verschiedener gesellschaftlicher Akteure – hier ist jede Unterstützung sehr willkommen.“

Wie viel „share“ am Ende zum großen Spendentopf beitragen könne, müsse sich aber erst noch zeigen, so Ökonom Acht. Vergleichbare Projekte hätten sich in Deutschland in der Vergangenheit nicht langfristig etablieren können. „Beispielsweise eine Zusammenarbeit von Krombacher und WWF, bei der Kunden mit dem Kauf einer Bierflasche für den Regenwald spenden konnten“, so Acht.

Die Gründer von Sharefoods sind jedoch optimistisch. Schon zum Internationalen Wassertag am 22. März wollen Stricker und seine Kollegen die ersten 50.000 Flaschen des „Share“-Wassers verkauft haben, um den Grundstein für den ersten Brunnen in einer Krisenregion legen zu können.