Berlin .

Anerkennung zu erhalten, ist eines der stärksten menschlichen Bedürfnisse. In der modernen Welt des Internets existieren dafür neue Maßeinheiten. Sie heißen „Freunde“, „Likes“ oder „Follower“. Wer in sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter viele davon hat, scheint ein toller Hecht zu sein. Und wenn es mit der eigenen kommunikativen Attraktivität nicht so richtig klappt, mag man auf die Idee verfallen, seine Anhängerschaft künstlich zu erweitern. Deswegen gibt es im Netz die Möglichkeit, Facebook-Freunde und Twitter-Follower zu kaufen – ein umstrittener, mitunter gar gefährlicher Trick.

Durchschnittliche Nutzer sind auf Twitter oder Facebook mit 200 bis 300 Personen verknüpft. Mit denen hat man sein eigenes Profil im gegenseitigen Einvernehmen vernetzt. Wie schaffen es andere dann aber, 1000 Anhänger anzuziehen? Sind deren Karrieren, Meinungsäußerungen, Fotos interessanter als meine? Solche Gedanken können schmerzen. Das geht nicht nur Normalbürgern so, sondern auch Politikern und Schauspielern. Unternehmen hegen ein weiteres Interesse: Große Reichweite im Netz zahlt sich aus, weil sie dadurch vielleicht mehr Produkte verkaufen und höhere Einnahmen erzielen.

Im Tausenderpack gibt es Freunde mit Rabatt

Firmen wie social-sponsor.com oder social-fanclick.com bieten deshalb ihre Hilfe an. Social-Sponsor offeriert auf seiner Internetseite beispielsweise Facebook-„Freunde Normal“ für 64 Cent pro Stück. Dieser Preis gilt ab 100 Freundschaftsanfragen. Wer 1000 braucht, zahlt 49 Cent pro Kopf. „Jetzt kaufen“, wirbt der Button unter dem Angebot. Ist das Geld abgeschickt, sollen bald die Anfragen der neuen Freunde auf dem eigenen Facebook-Profil eingehen. Man akzeptiert sie und hat – schwups – doppelt so viele Anhänger wie vorher. Vergleichbar bei Social-Fanclick: Die Firma bietet beispielsweise zehn Facebook-Gruppenmitglieder für 39,90 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Auf eine Anfrage dieser Zeitung reagierten beide Anbieter nicht.

Andere Unternehmen stellen ähnliche Leistungen zur Verfügung. Die Palette reicht von Facebook-Freunden, positiven Bewertungen mittels des „Gefällt mir“-Knopfes und Kommentaren zu Äußerungen des Käufers über Twitter-Follower bis zu Abonnenten des eigenen Youtube-Videokanals. Oft verkaufen die Firmen auch gleich Werbekampagnen: Sie organisieren die zielgerichtete Zustellung bestimmter Botschaften.

Facebook und Twitter betrachten solche Geschäftsmodelle mit Argwohn. „Betrügerische Aktivitäten auf Facebook sind verboten“, sagte ein Facebook-Sprecher dieser Zeitung. Dazu zählt der US-Konzern den „Verkauf von ‚Gefällt mir‘-Angaben, die von gefälschten Konten oder Personen ohne ernsthafte Absichten ausgehen“. „Freundschaftsanfragen an viele Personen zu senden, die du nicht kennst“, betrachtet Facebook als „Missbrauch“, heißt es auf der Seite. Diese Formulierungen lassen sich so deuten, dass der Verkauf von Freunden und Ähnliches untersagt ist. Denn das Netzwerk legt Wert auf authentische Kontakte. Gleichzeitig warnt das Unternehmen, Konten von Nutzern zu sperren, die dagegen verstoßen. Privatleute und Firmen müssen grundsätzlich damit rechnen, dass sie Probleme bekommen, wenn sie ihre Anhängerschaft künstlich erweitern.

Twitter ist klarer. In den Hinweisen an die Nutzer heißt es schlicht: „Der Verkauf und Kauf von Interaktionen auf unserer Plattform ist verboten.“ Die Firma droht, Seiten von Nutzern zu blockieren, die sich nicht daran halten. Hauke Mormann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen rät, „nicht gegen die Nutzungsbedingungen des jeweiligen Netzwerkes zu verstoßen. Sonst riskieren die Nutzer, dass ihre Profile gesperrt werden.“ Wobei dies Firmenpolitik ist, nicht Rechtslage. „Juristisch spricht nichts dagegen, wenn Privatpersonen sich Freunde auf Facebook kaufen“, erklärt Mormann. „Allerdings sollte man bedenken, dass dadurch fremde Personen Zugriff auf Informationen im eigenen Profil erhalten können. Man kann nicht wissen, wie diese sich in die Kommunikation einschalten. Das kann auch nach hinten losgehen.“

Außerdem gibt es ein zweites Pro­blem. Die gekauften Freunde sehen aus wie reale Personen, sind es häufig aber nicht. Die Profile der neuen Freunde zeigen zwar ein Foto und machen ein paar vermeintlich persönliche Angaben. Doch die Daten sind oft erfunden, die Bilder geklaut. Nicht selten handelt es sich um kopierte Nutzerkonten, die sich nur in einem winzigen Detail vom Original-Account einer wirklichen Person unterscheiden. Diese Fake-Profile werden von Social Bots, sozialen Robotern, gesteuert. Das sind Computerprogramme, die bei bestimmten Anlässen vorformulierte Kommentare abschicken.

Linda van Rennings, Social-Media-Expertin beim IT-Verband Bitkom, sagt: „Hinter gekauften Freunden oder Followern und ihren Aktivitäten stehen meist keine realen Personen, sondern automatisierte Profile.“ Sie möchte das als Warnung auch an jene verstanden wissen, die ein Unternehmen gegründet haben und auf eine Erweiterung ihres Kundenkreises hoffen. „Wer vermehrt gefälschte Accounts unter seinen Followern hat, riskiert eine Abmahnung oder die Sperrung der eigenen Social-Media-Präsenz.“ Außerdem bewirke die künstliche Ausweitung „in der Regel nicht, die Sichtbarkeit des eigenen Unternehmens zu erhöhen“. Die Platzierung einer Firma in den Internet-Rankings verbessere sich durch individuelle Interaktionen, nicht aber durch standardisierten Austausch, so van Rennings. Denn dieser falle in den Analyseprogrammen als solcher auf.

Was die Verwendung der Social Bots betrifft, sind die Netzwerke eindeutig: Sowohl Facebook als auch Twitter verbieten sie. Oft allerdings nur theoretisch. Beide Netzwerke spüren dem Missbrauch zwar nach. Andererseits haben sie ein Interesse, ihre Nutzerzahlen nicht zu sehr zu dezimieren. Denn Reichweite bedeutet Einnahmen.